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Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Titel: Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Todenhöfer
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Sie Ihren Pass an der Rezeption abgegeben haben, ist Ihr Besuch nicht mehr geheim. Die informieren als Erstes alle Geheimdienste von Homs.«
    Ich gehe in die finstere Empfangshalle. Die wenigen verbliebenen Hotelangestellten starren mich an. Wie ein Wesen von einem anderen Planeten. Sie geben mir ein kleines, kaltes Zimmer. Alles ist extrem einfach. Wie in einer Jugendherberge. Es war bestimmt nicht billig, für diese Herberge fünf Sterne zu bekommen.
    Am nächsten Morgen bitte ich vergeblich um ein Frühstück. So etwas gibt es hier schon lange nicht mehr. Aus reiner Nächstenliebe bringt mir eine der Angestellten drei hart gekochte Eier und eine Cola. Kurz danach holt mich Tuma ab. Auch er hat kaum gefrühstückt. Wieder geht es durch geisterhaft leere Straßen. Wir fahren ins Al-Hamra-Viertel.
    Hier warten wir vor einer Moschee das Ende des Freitagsgebets ab. Wir hören, wie der Imam die Gläubigen auffordert, anschließend kräftig zu demonstrieren. Dann strömen etwa hundert Menschen, vorwiegend Jugendliche, auf die Straße. Weitere junge Männer stoßen dazu. Frauen sehe ich keine.
    Auf der Straße steht ein Lieferwagen mit einer auf das Dach montierten Lautsprecherbox. Neben der Anlage kauern ein junger Techniker sowie ein vermummter Rebell. Der Einpeitscher sitzt auf den Schultern eines Demonstranten. Mit seinem Megafon brüllt er heiser seine Parolen in die Menge, die jetzt aus 250 jungen Leuten besteht. Die antwortet vielstimmig und mit rhythmischem Klatschen.
    Ich klettere auf einen Telefonkasten am Rand der Straße und filme mit meinem Handy. Immer mehr Demonstranten entdecken mich und fragen, ob sie mir helfen können. Die Nachricht über die Anwesenheit eines Ausländers ist auch zu dem Einpeitscher gelangt. Er brüllt: »Ein Fremder. Ab jetzt auf Englisch und lauter!« Die Sprechchöre werden zum Orkan. »Freedom«, schallt es durch die Straßen. »Freedom.« 250 Leute können viel Lärm machen. Sie recken ihre Fäuste in die Luft und schreien: »Iskat, iskat ya Baschar – Nieder mit Assad!« Inzwischen betrachten mich die Demonstranten als Teil ihrer Kundgebung. Obwohl ich nur fotografiere. Aber deshalb demonstrieren sie ja auch. Immer lauter werden die Sprechchöre.
    Hinter mir taucht der listenreiche Rebellenfreund vom Vorabend auf. »Unglaublich!«, ruft er mir zu. »Keine Scharfschützen! Keine Schützenpanzer! Kein Geheimdienst! Das ist das erste Mal, dass die nicht da sind. Das ist Ihretwegen. Die wissen, dass ein Ausländer hier ist und filmt! Könnten Sie nicht jeden Freitag kommen?« Alle lachen. Ich muss aufpassen, dass mich nicht wieder jemand auf die Schultern nimmt.
    Zur gleichen Zeit finden in Homs mehrere Dutzend derartiger Kleindemonstrationen statt. Durch Straßensperren verhindern die staatlichen Sicherheitskräfte, dass sich die Demonstranten der einzelnen Moscheen zu einer Großdemonstration zusammenschließen. Auf Umwegen fahren wir zu einer weiteren Kundgebung im Stadtteil Al-Hamra. Auch hier das gleiche Bild: 200, 300 Menschen schreien sich die Seele aus dem Leib und hoffen, dass die Welt sie hört. Al-Dschasira wird sie nicht im Stich lassen.
    Die Toten von Al-Dschasira
    Telefonisch erfährt Tuma von seiner Frau, dass laut Al-Dschasira bei Zusammenstößen in Homs fünf Zivilisten getötet worden seien. Sie ist beunruhigt. Ich frage Tuma, ob wir zum Al-Birr-Krankenhaus fahren könnten, in das die Demonstranten angeblich ihre Toten und Verletzten bringen. Er nickt.
    Doch vorher will er mir noch einen Überblick über Homs verschaffen. Die Straßensperren der staatlichen Sicherheitskräfte und der Rebellen versucht er dabei zu umfahren. Wir kommen durch Viertel, in denen noch immer Transparente mit Assads Bild über die Straße gespannt sind. Und durch Straßen mit Anti-Assad-Plakaten. Schließlich geht es durch die engen Gassen des Souks Al-Haschisch im Zentrum der Altstadt.
    Aus einer Gasse vor uns stürzen plötzlich vier junge Männer hervor. Einer trägt seine Maschinenpistole offen in der Hand, die drei anderen versuchen, die Waffen unter ihren Jacken zu verbergen. Sie fliehen offenbar vor Sicherheitskräften, die möglicherweise auch gleich auftauchen werden. Ausgerechnet auf diese Verfolger fahren wir zu.
    Ich brülle Tuma zu: »Hier wird gekämpft. Wir müssen zurück.« Tuma versucht zu wenden. Doch ist das in der schmalen Gasse nicht möglich. Also rast er im Rückwärtsgang, schlingernd, schleudernd, hinter den fliehenden Männern her. Als er merkt, dass uns das nur

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