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Du stirbst zuerst

Du stirbst zuerst

Titel: Du stirbst zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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in der Nähe. Das ist beruhigend.
    »Dann wäre der Schädel stärker verletzt worden«, wider­spricht ein anderer Arzt. »Die Schürfwunden fanden wir aber hauptsächlich an Armen und Beinen. Besser hätte er gar nicht landen können.«
    »Mister Shipman.« Doktor Murray fängt meinen Blick ein und lächelt. »Michael. Können Sie uns sagen, wo Sie sich in den letzten zwei Wochen aufgehalten haben?«
    Misstrauisch runzele ich die Stirn. Ich wollte verschwin­den, und ich denke, das ist mir auch gelungen, aber jetzt bin ich hier, umgeben von neugierigen Augen und medizinischen Geräten. Unauffällig bewege ich die Beine, um zu prüfen, ob ich unter der Bettdecke fixiert bin. Es fühlt sich nicht so an, als hätten sie mich ge­fesselt. Vielleicht sind es doch nur ganz normale Ärzte, die nicht in den Plan eingeweiht sind. Einfach nur hilfsbereite Mediziner, die nicht wissen, wer ich bin und wer hinter mir her ist. Vielleicht komme ich noch davon.
    Aber gewiss nicht, wenn fünf Leute zwischen mir und der Tür stehen. Ich muss den richtigen Augenblick abpassen.
    »Wir wollen Ihnen doch nur helfen, Michael.« Der Arzt lächelt wieder. Es wird zu viel gelächelt. »Sobald wir wussten, wer Sie sind, und in Ihrer Akte nachgesehen hatten … Nun ja, Sie können sich sicher unsere Verwunderung vorstellen.«
    Kalt starre ich ihn an. Also wissen sie, wer ich bin, oder kennen mindestens einen Teil der Wahrheit. Ich spanne mich an, dann überwinde ich mich und werde wieder ruhiger. Auch wenn sie mich erkannt haben, müssen sie nicht unbedingt etwas über den Plan wissen. »Nein«, entgegne ich entschieden, »das kann ich mir nicht vorstellen.« Die Männer, vor denen ich weggelaufen bin, beobachten mich schon seit Jahren. Wenn sie den Ärzten ihre Akten gegeben haben, wissen diese alles über mich. Wieder bewege ich die Beine und bereite mich darauf vor, im Ernstfall zur Tür zu rennen. »Was steht denn in der Akte?«
    Der Arzt konsultiert den Ordner, den er in den Händen hält. Es ist ein alter brauner Hefter mit einem überstehenden grünen Aufkleber. »Ganz gewöhnliche Fakten«, sagt er. »Krankengeschichte, Klinikaufenthalte, psychologische Bewertungen …«
    »Warten Sie mal«, unterbreche ich ihn. »Ist das alles? Nur meine Krankengeschichte?«
    Doktor Murray nickt. »Was sollte es denn sonst sein?«
    »Nichts.« Dann haben sie gar nicht die echte Akte, sondern nur die Fälschung der Behörden. Das ist gut, könnte aber zu ganz eigenen Problemen führen. »Das ist alles nicht so wichtig.«
    Der Arzt wechselt einen Blick mit dem Mann, der neben ihm steht. »Michael, wir sind Ärzte, und für uns ist das sogar sehr wichtig.«
    »Leider ist alles gefälscht«, antworte ich. Jetzt weiß ich, dass ich ihnen vertrauen kann, aber wie kann ich erklären, was wirklich los ist? »Die Akte wurde angelegt …« Die Anderen haben sie angelegt. Die Leute, die mich beschatten. Allerdings bin ich zu klug, um den Ärzten eine Wahrheit anzuvertrauen, die sie mir sowieso nicht abkaufen würden. Ich schüttele den Kopf. »Das war ein Scherz«, sage ich. »Der Inhalt hat nichts zu bedeuten.«
    Wieder nickt Doktor Murray. »Verstehe.« Er schlägt eine weitere Seite auf. »Fortlaufende Behandlung wegen Depressionen und einer generalisierten Angststörung.« Er blättert um. »Zwei Wochen Aufenthalt in der Powell-Klinik für Psychiatrie vor vierzehn Monaten.« Die nächste Seite. »Mehrfach Rezepte für Clonazepampräparate, Kostenübernahme durch die staatliche Fürsorge.« Er hebt den Blick. »Wollen Sie wirklich behaupten, das alles sei nur ein Witz?«
    Wie soll ich ihm alles erklären, ohne für verrückt gehalten zu werden? Ich schließe die Augen und spüre das erste nervöse Flattern einer Panikattacke. Tief durchatmen und die Fäuste ballen: Es ist alles in Ordnung. Sie wissen nichts von dem Plan. Sie haben mich nicht einmal fixiert. Wahrscheinlich kann ich einfach hinausspazieren, wenn es mir nur gelingt, ihr Misstrauen zu zerstreuen. Wieder sehe ich mich um. Keine Computer, und der Fernseher läuft nicht. Vermutlich schwebe ich wirklich nicht in Gefahr.
    »Es ist nur … das waren die Ärzte der Behörden«, erkläre ich. »Besprechen Sie dies lieber mit meinem eigenen Arzt, mit meinem Hausarzt. Doktor Ambrose Vanek. Er kann Ihnen alles erklären.«
    »Wir setzen uns sofort mit ihm in Verbindung«, verspricht mir Murray und nickt einem seiner Kollegen zu, der sich eine Notiz macht und hinausgeht. »Der Name stand leider nicht in

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