Du stirbst zuerst
ermitteln kann, wer den Bereich betreten hat.«
»Das wäre riesig«, sagte Leonard. »Bisher haben wir den Killer noch nie zu sehen bekommen, dazu ist er viel zu vorsichtig. Falls es tatsächlich eine Aufnahme gibt … das wäre riesig.«
Chu nickte und wandte sich zum Gehen. »Dann sollten wir uns bemühen, die Aufzeichnung möglichst schnell sicherzustellen.«
Der Nachtwächter befand sich mit den Raumpflegern in der Eingangshalle der ChemCom, wo die örtliche Polizei seine Aussage aufnahm. Chu und Leonard hörten eine Weile zu – der Mann wusste nichts oder behauptete, nichts zu wissen – und begleiteten ihn in das Büro der Sicherheitskräfte, um die Aufzeichnung anzusehen.
»Wann ist es Ihrer Meinung nach passiert?«, fragte der Wächter, während er die Aufzeichnungen abrief.
»Ein Uhr bis ein Uhr fünfzehn«, erwiderte Leonard.
»Stellen Sie das Ding doch auf schnellen Vorlauf«, schlug Chu vor, »und halten Sie an, sobald sich etwas tut.«
Der Mann nickte und lud die Datei. Auf dem Bildschirm erschien der lange, leere Flur in Schwarz-Weiß. Sobald er den Vorlauf aktiviert hatte, raste die Zeitanzeige in der Ecke, doch sonst veränderte sich zunächst nichts, bis ein Schatten über den Bildschirm huschte und mehrere Lichtblitze zu erkennen waren. Die drei Männer fluchten wie aus einem Mund. Auf dem Bildschirm flimmerte nur noch Schnee, die Aufzeichnung war abgebrochen.
»Spulen Sie zurück.« Leonard beobachtete aufmerksam den Bildschirm. Der Wachmann befolgte die Anordnung, fand die Stelle, wo der Raumpfleger ins Bild kam, und spielte die Aufzeichnung mit normaler Geschwindigkeit ab. Er deutete auf die Zeitanzeige.
»Ein Uhr dreizehn, ihr Jungs seid richtig gut.«
»Still«, wies Chu ihn zurecht.
Es flackerte kurz, als sei die Übertragung unterbrochen worden und habe gleich danach wieder eingesetzt, dann tauchte der Raumpfleger auf und entfernte sich von der Kamera. Er blieb an einer Tür stehen, vergewisserte sich, dass sie abgeschlossen war, und ging weiter.
»Das ist ja Brandon!«, rief der Nachtwächter.
»Kennen Sie ihn?«, fragte Leonard.
»Nicht gut«, antwortete der Wachmann. »Er ist nicht sonderlich gesprächig, aber ich lasse ihn jede Nacht herein. Er heißt Brandon Woods und wohnt … irgendwo außerhalb.«
Leonard und Chu wechselten einen Blick und konzentrierten sich wieder auf den Bildschirm.
Brandon Woods ging den Flur entlang bis zur hinteren Ecke, doch kurz bevor er sie erreichte, blieb er unvermittelt stehen und presste die Hände an den Kopf, als hätte er einen grässlichen Migräneanfall. Die Lippen bewegten sich, doch die Anlage zeichnete den Ton nicht auf, und das Bild war zu klein, als dass etwas zu erkennen war. Der Mann ging auf die Kamera zu, die Hände immer noch am Kopf, und kreischte.
»Hat Ihre Firma in der letzten Zeit Drogentests durchgeführt?«, fragte Agent Leonard.
»Das machen wir einmal im Jahr«, erklärte der Wachmann. »Die Zeitpunkte werden aber für jeden Angestellten willkürlich und zufällig festgelegt. Glauben Sie, dass Brandon Drogen genommen hat?«
»Ich glaube überhaupt noch nichts«, antwortete Leonard, »ich sammle nur Informationen.«
Brandon Woods’ Schmerzen schienen nachzulassen, während er zurückwich. Auf einmal tauchte hinter der Ecke eine zweite Gestalt auf – ein ganz in Schwarz gekleideter Mann, der sich eine Skimaske über den Kopf gezogen hatte und eine Pistole in der Hand hielt. Agent Leonardo hielt den Atem an: Das ist der Mann, den wir suchen. Der Killer hob die Waffe und wollte feuern, der Raumpfleger bemerkte es, und auf einmal flackerte das Bild – einmal, zweimal –, und über das Abbild des Angreifers liefen Wellen. Der Täter taumelte zurück und ließ die Waffe fallen, als hätten ihn die Wellen gegen die hintere Wand geworfen.
»Was, zum Teufel …«, flüsterte Chu.
Der Angreifer kam sofort wieder hoch und wollte sich die Waffe schnappen, doch Woods rannte schon auf ihn zu, aber er hatte nicht genug Zeit. Deshalb bereitete sich der Mann auf den Nahkampf vor. Unmittelbar bevor Woods ihn erreichte, zuckte zwischen den beiden Männern ein Blitz wie ein elektrischer Lichtbogen. Der schwarz gekleidete Mann bebte, als ihn das Licht traf, stieß jedoch den Raumpfleger zur Seite und zog ein langes Jagdmesser aus einer Scheide am Gürtel. Der Raumpfleger fing sich ab und stemmte sich gegen den Angreifer. Wieder flackerte der Bildschirm, und abermals entstand eine Wellenbewegung – dieses Mal aber nicht
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