Du wirst die Schönste sein - Ein Mallorca-Roman (German Edition)
war neunzehn, fast schon zwanzig, und eine starke junge Frau, bildete ich mir zumindest ein. Und so verbesserte ich mich rasch: „Dass ich die Party neulich nicht wirklich in guter Erinnerung habe, dürfte Ihnen ja wohl klar sein.“
„Das war’s, was Sie sagen wollten?“ Ernesto hörte sich an, als ob er sich ein Lachen verkneifen müsste.
„Nicht ganz. Fehlt nur noch: Viel Spaß mit der nächsten Dame.“
„Halt! Stopp! Und wenn ich Ihnen verspreche, Ihre Locken diesmal nicht zu ruinieren und dass Sie das Shooting lieben werden? Und natürlich auch das spektakuläre Make-up, das René zaubern wird. Und immerhin geht es diesmal um tausend Mäuse.“
Da war es wieder, dieses verdammte Spiel, in das dieser bornierte Fatzke mich mit seiner Partyeinladung geködert hatte. Und mich jetzt mit einem Fotoshooting lockte. Ein raffinierter Schachzug, aber leicht durchschaubar. Zweifellos war Ernesto klar, dass viele, vielleicht sogar die meisten groß gewachsenen, schlanken Mädchen und nicht gerade potthässlich, insgeheim von einer Modelkarriere träumten. Für mich zum Beispiel wäre die Chance, an professionelle Fotos ranzukommen nicht uninteressant, um damit eventuell während des Studiums mit Modeljobs meine Finanzen aufzubessern. Trotzdem wollte ich Ernesto erst einmal zappeln, im Ungewissen lassen. Letztlich das Einzige, was ich ihm entgegen setzen konnte. Ich müsste über seinen Vorschlag erst einmal nachdenken, beschied ich ihm und schaltete mein Handy ab.
Einige Stunden später, es war fast Mitternacht und ich saß mit Agnes und ein paar Kellnern vom ESTRELLA auf der Terrasse einer Strandkneipe, fiel mir mein Handy wieder ein. Ich aktivierte es wieder. Geradezu hektisch. Schließlich war es neben meinen Gedanken momentan die einzig mögliche Verbindung mit zuhause.
Höchstens Sekunden später hörte ich den bekannten Signalton und reflexartig tippte ich auf die grüne Taste, hörte Geraschel, Gemurmel und schließlich Ernestos Stimme.
„Hallo, meine Kleine, schon seit Stunden versuche ich, Sie zu erreichen.“
Ich fand die Vorstellung, wie sich vermutlich einer seiner Jungs stundenlang mit meiner Nummer abgearbeitet hatte, derart komisch, dass ich laut loslachte. Und was, wenn ich mein Handy tagelang abgeschaltet hätte?
„Bitte enttäuschen Sie mich nicht. Ich verspreche Ihnen hinreißende Fotos. Und auch jede Menge Spaß.“ Ernesto klang nervös, er verhaspelte sich, fing sich wieder. Ein kleiner, wenn auch vielleicht unbedeutender Triumph.
Mit bewusst gleichgültig klingender Stimme sagte ich: „Na gut. Aber ich nehm Sie beim Wort.“
Den Termin für das Fotoshooting legte ich auf meinen freien Tag. Für das vorerst angebliche Fotoshooting. Schließlich handelte es sich um Runde zwei von Ernestos seltsamem Spiel, immerhin hatte er die tausend Mäuse erwähnt, die dafür ausgesetzt waren. Um so überraschter war ich, als ich in Ernestos Haus im oberen Stockwerk ein regelrechtes Fotostudio vorfand. Mit Scheinwerfern, Kameras und einer kunstvoll aufgebauten Kulisse. Ein kleines Dschungelszenario mit viel Grün, echten und künstlichen Pflanzen, die eine etwa zwei Meter hohe, aber schmale, reich verschnörkelte goldfarbene Voliere umrankten.
Agnes gegenüber hatte ich diesmal meinen Mund gehalten, hatte jedoch nicht verschweigen können, dass ich abgeholt würde, als sie mir ihr Auto anbot. Worauf sie mir einen wissenden Blick zuwarf, die Augen verdrehte und dramatisch seufzte.
Und dieses Mal sprach José, mein Abholer, mich sogar an. Nur verstand ich ihn leider nicht, weshalb ich mir wohl zum hundertsten Mal vornahm, endlich was für mein spanisch zu tun. Mit unbewegter Miene, aber wie üblich mit düsterem Blick, öffnete er im Wagenfond eine Klappe und ich entdeckte dahinter zwei Flaschen und Gläser. Ich genehmigte mir während der mir wieder ewig lang erscheinenden Fahrt das eine und andere Glas voll köstlich erfrischendem Prickelwasser.
Und diesmal, es war um die Mittagszeit, achtete ich auf die Fahrtstrecke. Nachdem wir Palma hinter uns gelassen hatten, fuhren wir in westlicher Richtung eine Zeitlang am Meer entlang. Zwar durch eine stark bebaute Gegend, aber ab und zu blitzte das Blau des Wassers zwischen Häuserlücken auf. Wir kamen an einem Hotel vorbei, das „Nixe“ hieß. Das deutsche Wort Nixe? Ein gutes Stück später entdeckte ich einen Wegweiser mit der Aufschrift „ Illetes“ und noch später fuhren wir durch hügeliges Grün und ich trank noch einen letzten
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