Du wirst die Schönste sein - Ein Mallorca-Roman (German Edition)
übersehen. Es wimmelte dort unten geradezu von Frauen, was ich in dem Moment noch nicht wirklich wahrnahm. Ich befasste mich einzig und allein mit der Frage nach meinem nächsten Schritt. Denn dass ich hier weg musste und zwar so schnell wie möglich, stand fest. Fragte sich nur wie. Hatte vielleicht einer der Ladys den Zündschlüssel in ihrem Auto stecken lassen?
Automatisch hob ich die Füße, als Ernesto mich, einen Arm um meine Schultern, die Treppe hinunter schob. Sein Arm um meine Schultern! Mein Körper schien plötzlich nur noch aus Schulter mit diesem Arm zu bestehen. Obwohl es sich eher um eine leichte, symbolische Geste handelte, bildete ich mir ein Zentnergewicht ein, das mir das Atmen schwer machte.
Als eine Art Aufziehpuppe stakste ich neben Ernesto den Weg zum Pool hinunter, wobei ich eine weitere Fluchtmöglichkeit gedanklich durchspielte. Sollte ich mich zu Fuß auf den Weg machen und per Handy die Polizei alarmieren? Aber wie alarmierte man die Polizei, wenn man kein spanisch sprach? René fiel mir ein, der mir mit Sicherheit geholfen hätte, nur hatte ich seine Nummer nicht.
Ach René. Wie recht er hatte mit seiner Behauptung Spielrunde Nummer fünf. Und ich hatte ihn für verrückt erklärt. Wenn ich davon ausging, dass die Nacht im EL FUEGO Ernestos Runde vier gewesen war, und daran zweifelte ich nicht seit ich die Horror-Fotogalerie oben im Haus gesehen hatte, und wenn er bereits in Runde vier nicht vor Gewalt, vor Verletzungen zurückschreckte, was hatte er dann in „Drei Teufels Namen“ heute Nacht mit mir vor?
Ich spürte eine Kante des gefalteten Fotos an meinem Bauch. Damit es nicht herunter rutschte, band ich den Gürtel fester.
„Das ist sie, meine Kleine, meine Lady, meine Königin!“ rief Ernesto, als wir den Pool erreichten. Jemand klatschte in die Hände, weitere Hände schlossen sich an, auch Pfiffe waren zu hören.
Erst jetzt nahm ich die ganzen Frauen, geschätzt zehn bis fünfzehn, wirklich wahr. Einige tanzten zu zweit, andere schwangen mit Gläsern in der Hand die Hüften. Reichlich blondiertes langes Haar, reichlich viel nackte Haut und halbnackte riesige Brüste. Gegacker, Geschrei, Gelächter. Erleichtert stellte ich fest, dass niemand allzu viel Notiz von mir nahm. Wer nicht tanzte oder redete oder lachte, bediente sich bei den Getränken und am Büffet mit verschiedenen Knabbereien, malerisch zwischen blühenden Büschen aufgebaut, deren Namen ich nicht kannte.
„Geh, amüsier dich“, sagte Ernesto und sein Klaps auf meinen Hintern war so stark, dass ich einige Schritte vorwärts stolperte. „Aber zieh dich erst mal um.“
Keine Frage, er war verärgert. Sicher, viel machte ich nicht her in meinem netten Kleidchen, da half auch die dunkle Perücke nicht. Sowieso ein lästiges Teil, ständig hatte ich mit langen Strähnen zu kämpfen, die mir ins Gesicht fielen.
Ein Blick über die Schulter nach Ernesto, er setzte sich auf eine der Poolliegen, aber das Licht reichte nicht aus um festzustellen, ob er zu mir herüber sah. Auf einer Liege neben ihm hatte es sich eine unglaublich dicke Frau bequem gemacht. Sie trug eine Art Mieder, silbern bestickt, trotzdem schien ihr gewaltiger Busen auf ihrem Bauch zu ruhen und der wiederum auf ihren fetten Schenkeln. Sie war, soweit ich das erkennen konnte, sicherlich die Älteste unter den Frauen, hatte aber ein hübsches Gesicht, und sie schien mich mit ihren dunklen Augen geradezu zu verfolgen. Ich spürte es mehr als es wirklich zu sehen, selbst wenn ich ihr den Rücken zukehrte. Gleichzeitig redete sie lebhaft gestikulierend auf Ernesto ein. Was vermutlich damit zusammenhing, dass Ernesto mich zu sich rief.
Ich nickte der Unbekannten grüßend zu, als ich vor den beiden stand. Ernesto richtete sich auf.
„Du gehst jetzt rein und ziehst dich um. Sofort und auf der Stelle.“ Ernesto klang nicht nur laut sondern auch zornig. Ich sah sein braun gebranntes Gesicht dunkler werden und – aber eher aus dem Augenwinkel – verschiedene glänzende Metallteile auf einem Tischchen neben der dicken Frau.
Ohne Widerspruch setzte ich mich in Bewegung. Was auf Ernesto wie Gehorsam der eingeschüchterten „Kleinen“ wirken musste, sah ich als meine Chance seinen Blicken zu entkommen, um mich heimlich davon zu machen.
Die Stufen zur Terrasse rauf, durch die offene Tür ins Haus und dann ab durch den langen Gang zur Haustür. Nur hatte ich gerade mal die Hand auf der Klinke, als Miguel neben auftauchte, wohl ebenso überrumpelt,
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