Du wirst die Schönste sein - Ein Mallorca-Roman (German Edition)
Basketball-Cap auf dem Kopf. Und das Opfer, das Opfer war ich. Ich spürte meinen Herzschlag, schnell, nein rasend. Beim Blick auf die klotzige Männerfaust in meinem Gesicht. Ein anderes Foto zeigte, wie der Ältere der Männer sich krümmte nach meinem Tritt. Und plötzlich war alles wieder da, jede Sekunde, in denen ich den beiden Männern hilflos ausgeliefert war. Auffallend war, wie exakt die Reihenfolge der aufgehängten Fotos dem wirklichen Ablauf folgte, den ich mehr oder weniger mit aller Macht verdrängte. Keine Frage, derjenige, der vermutlich aus dem wild wuchernden unbeleuchteten Gebüsch am Ende des Hinterhofs fotografiert hatte, war auch derjenige der die widerliche Fotostrecke in seinem Haus installiert hatte.
Alles war wieder da – das Messer in der Faust des Jüngeren, dessen Spitze in Zentimeterabstand über mein Gesicht gezogen worden war. Mir wurde schwindlig und grauenvoll übel. Ich klammerte mich an die Rückenlehne von einem der Stühle, die hier und da herumstanden. Hatte Ernesto sie so platziert, um auf bequeme Weise seine fotografischen Kunstwerke betrachten zu können?
Auf einem der Fotos, auf dem der ältere Mann nach mir trat, musste er sich der Kamera zugewandt haben, jedenfalls war sein Gesicht deutlich zu erkennen, während der Jüngere feixend dahinter im Profil zu sehen war. Mit zitternden Händen löste ich das Foto von der Wand und allein mein Vorsatz, damit zur Polizei zu gehen, gab mir die Kraft , an den restlichen Fotos, jenen ganz besonders abscheulichen, zumindest rasch entlang zu gehen. Obszöne, gemeine, widerliche Aufnahmen, die nur ein durch und durch kranker Mann machen konnte. Ich bezweifelte, dass es Ernesto darum ging, Macht auszuüben über Frauen – Renés Theorie – ihm ging es meiner Meinung nach eher darum Frauen zu demütigen. Das wollte, das brauchte er wohl und dafür war ihm jedes Mittel, jede Taktik und jede Lüge recht. Als ihm klar geworden war, sein Spiel lief mit mir nicht wie gewünscht, mit Geld ließ ich mich nicht ködern, schlug er eine andere Richtung ein, setzte er auf Emotionen. Er begann zu flirten, ja spielte den Verliebten.
Mir fiel ein, wie dick Ernesto im EL FUEGO plötzlich aufgetragen hatte. Seine Hand auf meinem Schenkel, obwohl es davor nie auch nur die unbedeutendste Berührung gegeben hatte. Dass er meinen Kuss erwidert hatte. Dabei war alles nur gespielt, um den geplanten Ablauf seines Spiels nicht zu gefährden. Und natürlich hatte ich Ernesto nicht finden können, weil er samt Kamera längst zum Hinterhof verschwunden war, wo die beiden Typen wie vereinbart zur Stelle waren.
Mehr oder weniger unbewusst musste ich, was mir erst jetzt klar wird, während ich noch den Ablauf jener Nacht rekonstruierte, aber doch mitbekommen haben, dass nicht nur Motorengeräusch zu hören war sondern auch mehrere Stimmen, Frauenstimmen, Lachen und Rufen. Und ich hörte außerdem Ernesto: „Andrea! It’s party-time!“
Schüttelfrost jagte über meine nackten Arme.
„Andrea! An-dre-a!“
Ach wie zärtlich er doch seine Stimme klingen lassen konnte. Hastig faltete ich das Foto in meiner Hand, mehrfach, da leider im Großformat, und schob es mir unter mein Kleid, band meinen Gürtel enger, damit es nicht verrutschte. Dann schlich ich zur Tür, drückte mich an der Treppe aber erst mal gegen die Wand, da ich unten Miguel vorbei gehen sah. Die Frauenstimmen waren jetzt deutlicher zu hören.
Unten angelangt wandte ich mich in Richtung Terrasse und in dem Moment kam mir Ernesto entgegen. Wir blickten uns an, ich mit meinem Profilächeln, Abscheu, ja Hass überspielend, Ernesto offensichtlich überrascht.
„Du hast dich ja noch nicht umgezogen.“
Ich schenkte mir eine Erklärung, die ohnehin untergegangen wäre, da plötzlich ohrenbetäubend laute Musik einsetzte, irgendetwas Südamerikanisches, Samba vielleicht. Irgendjemand drehte die Lautstärke herunter.
„Du ziehst dich doch aber noch um“, sagte Ernesto. Ich schwieg erneut.
Während wir durch den breiten Flur neben einander in Richtung Terrasse gingen, warf ich einen raschen Blick auf Ernesto. Mir war, als ginge ein völlig Fremder neben mir her. Wie konnte das derselbe Mensch sein, dem ich eben noch vertrauensvoll meinen Kopf auf seine Schulter gelegt hatte?
Von der Terrasse aus wies Ernesto mit großer Geste zum beleuchteten Pool hinunter und rief dabei: „Deine Überraschung! Eine Ladys night!“
Letzteres war wegen der verschwenderischen Menge an Lichtquellen nicht zu
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