Du wirst die Schoenste sein
erneut vorzuführen oder sah er ein, aber das bezweifelte ich eigentlich, dass er neulich zu weit gegangen war?
„An Ihrem ehemaligen Treffpunkt. Haben Sie das verstanden?“
„Ja. Ja, doch.“
„Dann laufen Sie los. Moment! Ich hoffe doch, man sieht sich demnächst.“
Ich war mir da nicht so sicher.
Danach stand ich ratlos da. Einerseits neugierig, andererseits skeptisch. Ich erinnerte mich an Ernestos schmallippiges Lächeln. Schickte er tatsächlich seinen Fahrer los, um einer Spielfigur etwas zu schicken? Sah er mich noch immer als seine Spielfigur? Aber ich überlegte bereits, ob es in zehn, fünfzehn Minuten zum VESUVIO und wieder zurück zu schaffen war.
„Na gut“, sagte Agnes, „aber ich will dann auch sehen, was er dir schickt, dein Lover.“
„Versprochen. Aber er ist nicht mein Lover.“
„Okay, dann eben dein zukünftiger Lover.“ Ich musste lachen. Agnes’ Deutsch war perfekt, ihr Rudi-Carrell-Akzent jedoch ebenfalls.
Ich lobte noch schnell die kleine Karla für ihr bunt ausgemaltes Schmetterlingsbild und trabte dann los. Zum kleinen Tor hinter dem Spielplatz anstatt zum Hoteleingang, da meine Chefin, die Hoteldirektorin, sich gelegentlich an der Rezeption aufhielt.
Es war kurz nach elf, die Sonne stand also senkrecht. Bei dem Tempo, das ich vorlegte, begann ich schon bald zu glühen. Aber ein Blick auf die sich weit hinziehende Straße genügte um zu wissen, ich hatte mich in der Entfernung verschätzt.
Allerdings stellte sich raus, mein Dauerlauf in der Mittagshitze hatte sich hundertfach gelohnt. Tausendfach. Ernestos Chauffeur, wieder der Hübsche mit dem düsteren Blick – er hieß übrigens José, wie ich später erfuhr – gab mir einen Brief von Ernesto und öffnete dann den Kofferraum, in dem ich vier Schuhkartons entdeckte.
Ernesto schrieb, er befürchte, er habe meine Sandalen ruiniert und leiste deshalb Ersatz. Ich müsse nur die richtige Größe auswählen.
„Neununddreißig“, sagte ich zu José und dann stockend: „Treinta ... y ... nueve.“ Was ich mir beim Kauf neuer Flip-Flops gemerkt hatte.
Wir standen in der prallen Sonne. Aber ich spürte die Hitze nicht, ich starrte auf den Markennamen auf dem Schuhkarton in meiner Hand: Louboutin.
He, verdammt!
Ernesto schickte mir Louboutins? Die mit der knallroten Sohle? Mir bestens bekannt aus Berichten in Klatschblättern über Oscar- oder auch Bambi-Verleihungen.
Unter Josés abschätzendem Blick wollte ich den Karton nicht öffnen und so warf ich erst auf dem Rückweg einen Blick hinein und blickte mit angehaltenem Atem auf ... auf die Schuhe meines Lebens. Damals sah ich das tatsächlich so. Denn bisher hatte es beim Schuhkauf für mich zwei Kriterien gegeben: gefielen sie mir und was noch wichtiger war, wie teuer waren sie. Aber Schuhe wie diese ... eigentlich elegante Abendsandalen in mattem Silber. Ebenso auch das schmale Knöchelriemchen und der vordere Teil, der wie geflochten wirkte und dazu das typische Louboutin-Rot auf der Sohle. Vorerst wagte ich nicht einmal, die Louboutins mit meinen verschwitzten Händen aus dem Karton zu nehmen. Übrigens trug ich sie erst fast ein Jahr später zum ersten Mal. Schuhe wie die von Louboutin verlangen selbstverständlich auch das passende Outfit.
Agnes riss den Mund auf, als ich den Karton öffnete und machte: „ Boah!“ Und sämtliche Kinder drängelten sich um mich und kreischten: „Andrea hat sich schöne Schuhe gekauft!“
„Mensch, Mädchen“, sagte Agnes und sah mich bedeutungsvoll an.
Ich war mir nicht sicher, ob ich mich bei Ernesto bedanken sollte, entschied schließlich, dass er mir – Louboutins oder nicht – nur meine Sandalen ersetzen wollte, die möglicherweise im Pool ruiniert wurden. Trotz dieser eigentlich anständigen Geste blieb ich bei meinem Entschluss, dass ich nichts mehr zu schaffen haben wollte mit Ernesto.
Ganz exakt kann ich das heute nicht mehr sagen, aber es war so etwa drei Wochen nach jener Party, als Ernesto sich dann doch wieder meldete. Er rief an, um sich zu erkundigen, ob ich an einem Foto-Shooting interessiert sei.
„Wie bitte?“
„Nicht ausweichen. Ich denke, Sie haben mich sehr wohl verstanden. Aber ich wiederhole natürlich gerne, ich lade Sie zu einem Foto-Shooting ein. Kein Honorar, aber dafür professionelle, außergewöhnliche Fotos.“
„Ich weiß nicht ... aber ... nein danke“, stammelte ich, obwohl ich gerade Ernesto gegenüber nicht als zögerliches, unsicheres Gänschen dastehen wollte. Ich
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