Duell der Leidenschaft
Lagerhäuser, bis sie schließlich den großen Bogen umrundeten, der die Stadt kennzeichnete. Endlose Reihen von Dampfern kamen in Sichtweite, alle zum Auslaufen bereit, ebenso vor Anker liegende Schiffe und die auf den Wellen tanzenden Dingis, Kanus und Pirogen. Dort war der vertraute, staubige Place d’Armes, da stand die geliebte Kirche. Dies hier war die Heimat.
Niemand stand am Dock, um sie zu Hause zu empfangen. Ihr Vater wusste nicht, dass sie auf dem Rückweg waren. Sie hatten sich zu kurz in Havanna aufgehalten, um einen Brief zu schreiben, zudem waren sie davon überzeugt gewesen, noch vor der Post zu Hause einzutreffen. Zwar hätte Sonia ihm schreiben können, als sie sich noch in Vera Cruz aufhielten, doch was hätte sie ihm mitteilen sollen? Das Geschehen zu Papier zu bringen, erschien ihr zu kompliziert, da sie vor allem fürchtete, das geschriebene Wort sei zu leicht falsch zu verstehen. So blieb ihnen jetzt nichts weiter zu tun, als ihre Habseligkeiten einzusammeln und von Bord zu gehen. Da sie kaum Gepäck hatten, konnten sie den kurzen Weg bis zum Stadthaus auch zu Fuß zurücklegen.
Sonia drehte sich weg und beobachtete nicht länger, wie der Dampfer anlegte, sondern raffte ihre Röcke und ging in Richtung der Kabine, in der Tante Lily mit dem Packen beschäftigt war.
»Warte.«
Sie blieb stehen. Beim Klang dieser tiefen, rauen Stimme schnürte sich ihr die Kehle zusammen. Trotz zitternder Lippen verzog sie den Mund zu einem höflichen Lächeln, wie sie es seit Tagen machte, wenn sie sich ansahen.
»Wolltest du ohne ein Wort weggehen? Nicht mal eine höfliche Verabschiedung?«
Er stand mit der Schulter gegen das Schott gelehnt da, in einer Hand den Hut, den Koffer neben sich abgestellt. Die vom Fluss kommende Brise zerzauste sein Haar und sorgte dafür, dass er die Augen verengte. Er sah einfach zu gut aus, um ihn zu vergessen, weshalb sie es auch gar nicht erst versuchte.
»Nein, niemals.« Sie kam näher und hielt ihm ihre Hand hin. »Ich freue mich über diese Gelegenheit, dir noch einmal zu danken. Du warst auf dieser ganzen Reise immer freundlich und entgegenkommend, der perfekte Begleiter. Ich schulde dir mehr, als ich dir je wiedergutmachen kann. Und du kannst dir sicher sein, dass ich dich nie vergessen werde. Niemals.«
Er nahm ihre Hand, führte sie an seine Lippen und vollzog dabei jene elegante Verbeugung, wie er sie auf dieser gemeinsamen Unternehmung gelernt hatte. »Das hört sich so an, als gehst du davon aus, mich nie wiederzusehen.«
»Wirklich?« Sie hatte gedacht, es würde vermutlich so kommen, außer dass man sich vielleicht einmal auf größere Entfernung sehen könnte. Doch von einer Sekunde auf die andere erschien ihr das unerträglich. Ihre zwiespältigen Gefühle der letzten Tage waren so schnell verschwunden, als hätten sie nie existiert. Plötzlich wusste sie, was sie tun musste. »Ich möchte mich entschuldigen. Es gibt noch eine letzte Pflicht, die du als mein Begleiter und Beschützer erfüllen könntest, wenn du das möchtest.«
Er verzog den Mund zu einem leichten, ironischen Lächeln, das das Grübchen in seiner Wange wieder zum Vorschein brachte. »Dein Wunsch ist mir Befehl.«
»Dein Wunsch ist mir Befehl...«
Ihr wurde heiß, als sie daran dachte, bei welcher Gelegenheit sie diese Worte das letzte Mal von ihm gehört hatte. Das Lodern in seinen Augen, das sie bemerkte, als sie ihn anschaute, ließ sie Hoffnung und Mut schöpfen. »Ich wäre dir dankbar, wenn du meine Tante und mich zum Stadthaus begleiten würdest.«
Er wurde ernst. »Ich werde ...«
»Ich weiß, das gehört nicht zu dem Auftrag, den du angenommen hattest«, fuhr sie fort, bevor er weiterreden konnte. »Ich bin mir sicher, es gibt anderes, was du jetzt zu erledigen hast und was du jetzt auch unbedingt erledigen möchtest, nachdem du nun wieder hier bist.«
»Das ist richtig ...«
»Es ist nicht so, als hätte ich Angst davor, Papa unter die Augen zu treten oder ihm zu gestehen, dass ich nicht verheiratet bin, auch nicht ...«
Er ließ ihre Hand los und legte ihr einen Finger auf die Lippen. »Ich hatte nie etwas anderes beabsichtigt«, sagte er, als sie verstummt war. »Dein Vater sollte von mir einen Bericht bekommen, was sich in Vera Cruz zugetragen hat.«
»Dann wolltest du mitkommen?«
»Ich hatte nicht vor, dich im Stich zu lassen, wenn du ihm gegenübertrittst.«
»Du fühlst dich verantwortlich. Das hätte ich wissen sollen.«
Nach einem kurzen Zögern nickte er
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