Dune 03: Die Kinder des Wüstenplaneten
niemals akzeptieren, daß Paul durch Letos Mund sprach. Es erfreute sie, daß das Haus Atreides überlebt hatte, denn die Dinge, die sich sonst entwickelt hätten, wären wohl unerträglich geworden.
Farad'n saß im Schneidersitz neben dem Ziergefäß, das Muad'dibs Wasser enthielt. Er nahm die Position des Herrschaftsschreibers ein, die man für ihn neu geschaffen und die er akzeptiert hatte.
Farad'n spürte, daß er sich allmählich an seine neue Umwelt gewöhnte, und daß sie ihm gefiel, auch wenn Tyekanik in ständiger Rage war und nicht aufhörte, davon zu sprechen, daß all das mit Sicherheit böse Konsequenzen nach sich ziehen würde. Tyekanik und Stilgar hatten sich zu einer Partnerschaft solchen Mißtrauens formiert, daß er sich nur noch über sie amüsieren konnte.
Während der Stunden der Huldigungszeremonie waren Farad'ns ehrfürchtige Gefühle dennoch einer gewissen Langeweile gewichen. An ihm zog sich ein endloser Strom von Kämpfern vorbei. Die Ehrlichkeit ihrer erneuerten Loyalität gegenüber den Atreides konnte niemand anzweifeln. Sie standen mit einem Gefühl unterdrückten Entsetzens vor ihm. Es war keine Frage, daß die Berichte der Arifa sie eingeschüchtert hatten.
Endlich näherte sich das Ende der Huldigung. Der letzte Naib stand vor Leto. Es war Stilgar. Anstelle von gefüllten Gewürzkörben, Feuerjuwelen oder anderen Dingen, die seine Vorgänger vor den Stufen abgelegt hatten, trug er lediglich ein Stirnband aus Gewürzfaser, in das der Falke der Atreides in Gold und Grün eingearbeitet war.
Ghanima warf Leto von der Seite her einen Blick zu.
Stilgar legte das Stirnband auf die zweite Stufe unterhalb des Throns und verbeugte sich. »Ich bringe dir das Stirnband, das deine Schwester trug, als ich sie mit mir in die Wüste hinausnahm, um sie zu beschützen«, sagte er schlicht.
Leto unterdrückte ein Lächeln.
»Ich weiß, daß du harte Zeiten durchzustehen hattest, Stilgar«, erwiderte er. »Siehst du hier irgend etwas, das ich dir zurückgeben könnte?«
Er deutete auf die aufgestapelten, kostbaren Geschenke.
»Nein, Mylord.«
»Ich nehme dein Geschenk an«, sagte Leto. Er rutschte nach vorne, hob den Saum von Ghanimas Robe und riß einen dünnen Streifen aus ihm heraus. »Zum Dank gebe ich dir diesen Fetzen aus Ghanimas Robe; der gleichen Robe, die sie trug, als sie aus deinem Wüstenlager entführt wurde, was mich dazu zwang, sie zu retten.«
Stilgar nahm den Fetzen mit zitternder Hand entgegen. »Sie verspotten mich, Mylord?«
»Dich verspotten? Bei meinem Namen, Stilgar: Ich würde dich niemals verspotten. Ich habe dir ein Geschenk gemacht, das nichts kostet. Ich befehle dir, es ständig in der Nähe deines Herzens zu tragen, um dich daran zu erinnern, daß kein Mensch fehlerlos ist – und alle Führer Menschen.«
Ein leises Kichern entfuhr Stilgar. »Sie hätten einen guten Naib abgegeben, Leto.«
»Ich bin bereits ein Naib! Der Naib der Naibs. Vergiß das nie!«
»Ihrem Wunsch gemäß, Mylord.« Stilgar schluckte und erinnerte sich an den Bericht seines Arifa. Er dachte: Ich sann einmal darüber nach, ihn zu töten. Jetzt ist es zu spät. Sein Blick fiel auf das Gefäß, ein goldenes Fäßchen mit grünem Verschluß. »Das ist das Wasser meines Stammes.«
»Und das meine«, erwiderte Leto. »Ich befehle dir, die Inschrift an der Seite zu lesen. Und lies sie laut, damit jeder sie hören kann.«
Stilgar schaute fragend Ghanima an. Sie erwiderte den Blick mit einem Anheben des Kinns, und in ihm lag eine Kälte, die ihn erschauern machte. Legten diese beiden Satansbraten es etwa darauf an, daß er sich auf seine eigenen Fehler auch noch die Antwort gab?
»Lies vor!« sagte Leto. Er deutete auf das Gefäß.
Mit gemessenen Bewegungen erklomm Stilgar die Stufen. Er beugte sich nieder und las mit lauter Stimme: »Dieses Wasser ist die höchste Essenz, eine Quelle nach außen strömender Kreativität. Obwohl es bewegungslos ist, ist es doch die Ursache aller Bewegung.«
Stilgar flüsterte: »Was hat das zu bedeuten, Mylord?« Er fühlte sich von diesen Worten ehrfürchtig berührt, als hätten sie in ihm etwas zum Schwingen gebracht, von dem er nie geahnt hätte, daß es existierte.
»Der Körper Muad'dibs ist gleich der leeren Hülle eines Insekts«, sagte Leto. »Er meisterte die innere Welt, während er die äußere zuschanden machte. Und dies führte zur Katastrophe. Er meisterte die äußere Welt, während er die innere ausschloß, und dies lieferte seine
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