Dune 06: Die Ordensburg des Wüstenplaneten
Manchmal findet man Worte, die es beschreiben ... Manchmal aber auch nicht.«
»Keine Worte? Nicht mal für die Fragen?«
»Du möchtest Worte, nicht wahr? Wie ist es mit diesen? – Vertrauen. Glaube. Wahrheit. Ehrlichkeit.«
»Es sind gute Worte, Shoel.«
»Aber sie treffen nicht den Punkt. Verlaß dich nicht auf sie!«
»Und worauf verläßt du dich?«
»Auf meine eigenen inneren Reaktionen. Ich lese in mir selbst, nicht in jenem, der vor mir steht. Ich erkenne eine Lüge stets daran, weil ich dem Lügner am liebsten den Rücken zuwenden würde.«
»Also so machst du es!« Sie drückte seinen bloßen Arm.
»Andere machen es anders. Ich habe einmal eine Frau sagen hören, sie würde eine Lüge daran erkennen, wenn sie das Gefühl entwickelt, sie würde dem Lügner am liebsten den Arm reichen und ihn ein Stück des Weges begleiten. Vielleicht hältst du es für Unsinn, aber es funktioniert.«
»Ich halte es für sehr weise, Shoel.« Die Liebe sprach aus ihr. Dennoch verstand sie nicht ganz, was er sagte.
»Mein teurer Schatz«, sagte er und wiegte ihren Kopf auf seinem Arm. »Wahrsager haben einen Wahrheitssinn, der – ist er einmal erwacht – ununterbrochen arbeitet. Bitte, sag mir nicht, ich sei weise, wenn nur die Liebe aus dir spricht!«
»Tut mir leid, Shoel.« Sie mochte den Duft seiner Haut, deswegen legte sie den Kopf an seine Schulter und kitzelte ihn unter dem Arm. »Aber ich möchte alles wissen, was du weißt.«
Er schob ihren Kopf in eine bequemere Position. »Weißt du, was mein Stadium-3-Instruktor gesagt hat? ›Weiß nichts! Du mußt lernen, völlig naiv zu sein!‹«
Sie sagte staunend: »Gar nichts?«
»Man geht auf alles ohne Intentionen zu, man hat nichts an oder in sich. Was sich daraus ergibt, ergibt sich von ganz allein.«
Allmählich begriff sie, was er meinte. »Man mischt sich nicht ein.«
»Genau. Man ist der unwissende Wilde aus alter Zeit, ohne den geringsten Anspruch, ein Ziel anzustreben. Du findest es sozusagen, ohne danach zu suchen.«
»Das ist aber wirklich weise, Shoel. Ich wette, du warst der beste Schüler, den er je hatte, der schnellste und ...«
»Ich hielt es für schrecklichen Unsinn.«
»Bestimmt nicht!«
»Bis ich eines Tages in mir ein kleines Zucken feststellte. Es war keine Muskelbewegung oder etwas, das man hätte bemerken können. Nur ein ... ein Zucken.«
»Wo?«
»An keiner Stelle, die ich beschreiben könnte. Aber mein Stadium-4-Instruktor hatte mich darauf vorbereitet. ›Ergreife es mit sanften Händen! Vorsichtig!‹ Einer der Schüler glaubte, er meinte wirklich die Hände. Mann, haben wir gelacht.«
»Das war grausam.« Sie berührte seine Wange und spürte seine dunklen Bartstoppeln. Es war spät, aber schläfrig fühlte sie sich noch nicht.
»Ich nehme an, daß es grausam war. Aber als das Zucken kam, wußte ich es. So etwas hatte ich noch nie zuvor gespürt. Es hat mich auch überrascht, weil ich im Augenblick dieser Erfahrung wußte, daß es die ganze Zeit dagewesen war. Es war mir bekannt. Es war das Zucken meines Wahrheitssinnes.«
Sie glaubte, das Sichrühren des Wahrheitssinnes in sich selbst zu spüren. Das Gefühl des Wunderbaren in seiner Stimme erweckte etwas in ihr.
»Damit war es mein«, sagte er. »Es gehörte mir, und ich gehörte ihm. Es würde nie wieder zu einer Trennung kommen.«
»Wie wundervoll das sein muß.« In ihrer Stimme klangen Ehrfurcht und Neid mit.
»Nein! Manches daran hasse ich. Wenn man die Menschen auf diese Weise sieht, sieht man sie in obduzierter Form, mit heraushängenden Gedärmen.«
»Das ist ja abscheulich!«
»Ja, aber es gibt einen Ausgleich, Schatz. Manchmal trifft man Menschen, die so schön sind wie Blumen, die ein unschuldiges Kind für dich gehegt und gepflegt hat. Unschuld. Meine eigene Unschuld reagiert darauf, was meinen Wahrheitssinn stärkt. Das ist es, was du für mich tust, meine Liebe.«
Das Nicht-Schiff der Geehrten Matres erreichte Gammu. Man schickte sie in einem Müllfrachter zum Landefeld hinab. Die Nähe der Schiffsabfälle und -exkremente verursachte ihr Übelkeit, aber es war ihr gleich. Daheim! Ich bin wieder zu Hause, und Lampadas überlebt!
Der Rabbi teilte ihren Enthusiasmus allerdings nicht.
Wieder saßen sie in seinem Studierzimmer, aber jetzt fühlte sie sich schon vertrauter mit den Erinnerungen der Anderen, viel zuversichtlicher. Er konnte es sehen.
»Du bist ihnen noch ähnlicher geworden! Es ist unrein.«
»Rabbi, wir alle haben unreine
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