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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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den Kassen hielt sich eine Handvoll Menschen auf, die herumstanden und redeten. Drei, vier Paare saßen an den Tischen des Bistros und warteten auf die nächste Vorstellung, die erst in gut anderthalb Stunden begann. Ein paar Angestellte in schwarzen T-Shirts und Hosen lümmelten an der Popcorntheke herum, unterhielten sich oder dösten einfach dem nächsten Besucheransturm entgegen.
    Das Kino kam ihm … fremd vor. Etwas Sonderbares, Unwirkliches schien in der Luft zu hängen, wie vor einem heraufziehenden Unwetter. Jan war irritiert.
    Es war ja nicht so, daß er das erste Mal hier wäre; ganz im Gegenteil. Er war schon früher oft und gerne ins Kino gegangen, aber seit er Katrin und ihre Clique kennengelernt hatte, war das »Cinedom« fast so etwas wie seine zweite Heimat geworden. Dieter hatte nicht ganz so falsch gelegen, als er ihn damit aufgezogen hatte, daß die Platzanweiser ihn und seine Marotte, in jeder Vorstellung wenigstens einmal aufs Klo zu stürmen, eigentlich schon kennen mußten. Wahrscheinlich kannte man ihn wirklich. Es verging kaum eine Woche, in der sie nicht mindestens einmal hier waren.
    Aber er hatte das riesige Kino noch nie so wie jetzt gesehen.
    Er konnte nicht genau sagen, wo der Unterschied lag, aber dieser war so deutlich zu spüren, daß Jan oben auf dem Treppenabsatz noch einmal stehenblieb und ans Geländer herantrat, um in die Halle hinabzublicken.
    Vielleicht lag es einfach daran, daß er das Kino selten so leer wie jetzt sah. Vor einer halben Stunde hatte er dort untenin einer Menschentraube gestanden, deren Zahl fast vierstellig gewesen sein mußte; und es war nur eine von vier Schlangen gewesen, die an den vier Sälen hier unten anstanden. Jetzt wirkte der Raum, für zwei- oder dreitausend Menschen konzipiert, irgendwie … falsch . So gespenstisch wie der verwaiste Parkplatz eines großen Einkaufszentrums in einer eisigen Schneenacht im Winter. Wenn man einen Ort seines Zweckes beraubte, dann verlor er zugleich auch etwas von seiner Realität – und wurde manchmal zu etwas anderem.
    Jan spürte plötzlich, wie eisig das verchromte Geländer war, und zog hastig die Hand zurück. Sie war kalt. Das polierte Metall schien alle Körperwärme aus seiner Handfläche gesogen zu haben. Er hob den Arm, massierte gedankenverloren das Handgelenk und spürte einen dünnen, stechenden Schmerz, der sich von der Handwurzel bis hinauf in die Schulter zog. Vielleicht hätte er sich doch nicht ganz so schwungvoll bewegen sollen. Nach einem letzten Blick auf den verwaisten Eingangsbereich des Kinos drehte er sich herum und betrat die Toilette.
    Als er das Pissoir benutzte, meldete sich das Schwindelgefühl mit solcher Plötzlichkeit zurück, daß er nach vorne sank und im allerletzten Moment noch den Arm ausstrecken konnte, um sich an der gekachelten Wand festzuhalten. Es gelang ihm, ein größeres Unglück zu vermeiden – er konnte sich Dieters Kommentar lebhaft vorstellen, wenn er zurückkäme und einen nassen Fleck in seiner weißen Jeans hätte –, aber er stand fast eine Minute lang reglos da, starrte die Dunkelheit hinter seinen geschlossenen Lidern an und wartete, daß der Schwindel aufhörte. Das geschah auch, aber langsam, quälend. Und zum Ausgleich wurde ihm wieder ein wenig übel.
    Jan zog den Reißverschluß hoch, lehnte sich ein paar Sekunden lang mit der Schulter gegen die Wand und zwang sich dann, sich mit einem Ruck herumzudrehen und aufrecht inden vorderen Teil der Toilette zurückzukehren. Diesmal war er wirklich erleichtert, allein zu sein.
    Er taumelte zu den Waschbecken, stützte sich schwer mit beiden Händen auf und blieb ein paar Sekunden mit geschlossenen Augen stehen. In seinem Kopf drehte es sich noch immer; nicht mehr so schlimm wie gerade, aber schlimm genug. Bitterer Speichel sammelte sich unter seiner Zunge. Er wollte ihn hinunterschlucken, besann sich im letzten Moment darauf, daß er sich dann bestimmt in ein paar Sekunden übergeben müßte, und spuckte ins Waschbecken. Der Anblick war widerlich. Er drehte den Hahn auf, hielt beide Handgelenke unter den eisigen Strahl und schöpfte sich Wasser ins Gesicht.
    Als er den Kopf wieder hob, erschrak er.
    Was ihm aus dem Spiegel entgegenblickte, das war nicht sein Gesicht, sondern ein hohlwangiges, bleiches Gespenst mit dunklen Ringen unter den Augen und rissigen Lippen, die aussahen, als hätte er eine Woche Fieber hinter sich.
    Jan starrte sein seitenverkehrtes Gegenüber einige Sekunden lang mit einer Mischung aus

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