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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Schultern und schlug ihm schließlich mit vollkommen übertriebener Wucht zwei-, dreimal die flache Hand ins Gesicht. Jans Kopf rollte haltlos hin und her, und die Schatten in seinen Augenwinkeln tauchten im gleichen Rhythmus auf und verschwanden, was ihren Tanz noch bedrohlicherwirken ließ. Jan war sich nicht mehr ganz sicher, ob es wirklich zwei Schatten waren oder nur ein einziger, der sich zu teilen versuchte. Vielleicht war das Ringen, das er zu beobachten glaubte, kein Kampf, sondern ein vergebliches Ziehen und Stoßen, mit dem aus einem zwei werden wollten, ohne daß es ihnen gelang.
    »Jan, verdammt noch mal – so sag doch was!« wimmerte Dieter. Wenigstens hatte er seine Versuche eingestellt, das bißchen Bewußtsein, das noch ihn ihm war, aus ihm herauszuprügeln. Dafür stützte er sich jetzt mit beiden Händen auf seiner Brust ab. Seltsam – Jan war nie aufgefallen, daß er ungefähr eine Tonne wog. Dabei kannten sie sich doch schon so lange …
    »Junge, hör jetzt auf mit dem Quatsch!« sagte Dieter. In seiner Stimme war jetzt echte Panik, nicht nur Schrecken, und Jan fragte sich mit einer Mischung aus hysterischer Heiterkeit und Verwirrung, ob er vielleicht Grund hatte, sich wirklich Sorgen zu machen. Er verstand noch immer nicht genau, was mit ihm geschah, hatte aber mehr und mehr das Gefühl, daß er es nicht verstehen wollte .
    Weil er nämlich starb.
    Unsinn.
    Das war nicht der Tod.
    Er konnte nicht sterben. Das hieß: Natürlich konnte er sterben. Bei einem Autounfall. Bei irgendeinem idiotischen, durch und durch überflüssigen Unglück, bei einem Überfall oder einfach, weil er das Pech hatte, im falschen Augenblick am falschen Ort zu sein. So etwas passierte jeden Tag. Aber er konnte nicht so sterben. Er war zweiunddreißig, hatte sein Idealgewicht, rauchte maximal fünf Zigaretten am Tag, wenn überhaupt, und trank nur sehr wenig Alkohol. Außerdem hatte er sich erst vor zwei Monaten gründlich beim Arzt durchchecken lassen und war mit dem zu erwartenden Ergebnis belohntworden: Er hatte es schriftlich , daß er in allerbester gesundheitlicher Verfassung war.
    Und trotzdem lag er auf dem Rücken, bekam keine Luft und war nicht fähig, auch nur den kleinen Finger zu rühren.
    Und sein Herz schlug nicht.
    Es war diese Erkenntnis, die ihm endgültig klar machte, daß jetzt vielleicht der passende Moment war, damit anzufangen, sich Sorgen zu machen. Sein Herz hatte aufgehört zu schlagen. In seiner Brust war nur hartes Schweigen, wo das beruhigende »Ba-Dumm Ba-Dumm« der letzten zweiunddreißig Jahre sein sollte.
    Dann kamen die Schatten wieder. Diesmal war es nicht das Ringen unheimlicher Geister, sondern ein trüber Kranz aus Finsternis, der sich ganz langsam aus allen Richtungen zugleich heranschob. Als sähe er die Welt plötzlich durch eine schlampig geputzte Fensterscheibe, an deren Rändern sich der Schmutz zu einer Kruste angesammelt hatte. Irgendwo in dieser trüber werdenden Schwärze war Bewegung, aber er konnte sie nicht mehr mit Blicken fixieren. Sein Gesichtsfeld wurde kleiner, ganz langsam nur, aber es schrumpfte.
    Wie von weit her hörte er Schritte, dann ein erschrockenes Keuchen und dann wieder Schritte, die diesmal in aller Hast näher kamen. Eine Stimme schrie irgend etwas, das sich nach seinem Namen anhörte, ohne daß er ganz sicher sein konnte. Ebensowenig erkannte er die Stimme, obgleich sie ihm irgendwie vertraut vorkam.
    »Der Arzt!« schrie Dieter. »Wo, zum Teufel, bleibt der verdammte Arzt?! «
    Ein zweites Gesicht tauchte über ihm auf; es verschwamm, bevor er es richtig erkennen konnte. Stimmen – drei oder vier verschiedene, allesamt unbekannt-vertraut – riefen seinen Namen, dann wurde Dieters Tonnengewicht von ihm heruntergestoßen, und der körperliche Doppelgänger des unheimlichenSchattens wuchs über ihm empor. Vielleicht bewegte sich hinter ihm noch etwas. Vielleicht klaffte die Wirklichkeit hinter ihm auseinander, um sich zu einem leuchtenden, unendlich langen Tunnel zu erweitern (hieß es nicht, daß man so etwas sah, wenn es zu Ende ging?) – Jan konnte es nicht sehen, denn seine Welt hatte jetzt einen Schmutzrand, der breiter war als der sichtbare Teil. Alles wurde leicht. Sein Herz schlug immer noch nicht, und er konnte immer noch nicht atmen, aber wenigstens hatte der lästige Schmerz in seinem linken Arm aufgehört.
    Und noch etwas: Er hatte überhaupt keine Angst. Er sollte Angst haben, denn es gab nichts mehr an der Erkenntnis zu rütteln, daß

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