0389 - Der Tote mit meinem Gesicht
Es dauerte einen Tag und eine Nacht, bis der Mörder sein zweites Opfer gefunden hatte. Der Mann, dem der grausame Würger auf den Fersen war, hieß Jos Felton. Er gehörte zu den Schaustellern. Sein Zuhause war ein alter Wohnwagen, seine Heimat war das weite Land zwischen dem Atlantik und dem Pazifik, zwischen den grünen Wäldern Kanadas und den hitzeflirrenden, toten Einöden an der mexikanischen Grenze.
Vor Jahren waren sie Freunde geworden — der Artist Jos Felton und der Wissenschaftler Chas Korman. Seit Jahren hatten sie Pläne geschmiedet und von dem großen Coup, der sie reich und unabhängig machen sollte.
Dann hatte Korman etwas getan, was er Felton gegenüber »den ersten Schritt auf dem Weg nach oben« nannte. Korman hatte seinen Chef ermordet, das Laboratorium zerstört und die Unterlagen über die TV-100-Entwicklung gestohlen; Korman war in Bedrängnis gekommen, gehetzt, steckbrieflich gesucht worden; Korman hatte sich bei seinem Freund versteckt, den Wohnwagen wochenlang nicht verlassen und auf eine Gelegenheit gelauert, die Treibstoff-Pläne in einen Berg Dollarnoten zu verwandeln.
Eines Tages hatte Felton eine Zeitung in den Wohnwagen mitgebracht, in der von einem ermordeten Betrüger zu lesen war, der sich als Chas Korman ausgegeben hatte. Von diesem Tage an verfolgten die beiden die Entwicklung des Falles genau, überwachten jeden Schritt eines gewissen Bob Cassidy und kamen schließlich zu dem Ergebnis, daß Cassidy mit Agenten bereits Verbindung haben mußte und daß man über ihn die Pläne absetzen könnte. Eines Nachts hatte sich Korman auf den Weg gemacht. Der Mörder war nicht zurückgekehrt. Felton wußte, was das zu bedeuten hatte. Aber Felton war nicht traurig darüber, denn jetzt war er der einzige, der das Versteck der Unterlagen kannte.
Daß Chas Korman kurz vor seinem Tode, fäst wahnsinnig von den Qualen einer brutalen Folter, den Mitwisser verraten hatte, davon ahnte Felton nichts.
Er wußte nicht, daß Chas Kormans Mörder nahe war.
Jos Felton wiegte sich in Sicherheit und träumte von dem großen Geschäft, das er jetzt allein machen würde. Er entflammte sich an der Vorstellung, viel Geld in den Händen zu haben und sah seine Zukunft in rosaroten Farben.
***
Phil hatte schon viele Tote gesehen. Aber diesmal kostete es ihn eine gewaltige Überwindung, um zu dem Schrank zurückzukehren und die Leiche des ermordeten Freundes zu untersuchen.
Bevor der G-man Freddys Zimmer zum zweiten Mal betrat, ließ er sich von der Vermieterin Gloria Gilstein das Telefon zeigen.
Nach wenigen Augenblicken war die Verbindung mit dem FBI-Los Angeles hergestellt.
»Ich habe Jerry gefunden«, sagte Phil zu dem Kollegen, der sich am anderen Ende der Leitung befand. »Die Leiche liegt in einem Schrank. Die Adresse .ist 174. Straße, Nummer . , . Moment.« Er wandte sich an die Frau und fragte nach der Hausnummer. »Nummer 111«, sagte er dann in den Hörer, »In der Wohnung von Gloria Gilstein, Ich warte hier auf die Mordkommission. Ende.«
Phil legte den Hörer auf die Gabel zurück und wischte sich mit dem Taschentuch über die schweißnasse Stirn. Dann atmete er tief durch und betrat das Zimmer.
Die Schranktür stand offen. Im fahlen Halbdunkel saß die Leiche, das wächserne, bleiche Gesicht zum Zirrimer gewandt.
Der G-man trat näher, beugte sich vor und starrte den Toten an. Phils Kiefermuskeln hatten sich verkrampft. Sein Gesicht war wie eine starre Maske. Er war kalkweiß, und die Augen wurden unnatürlich groß, Phil erkannte den Anzug seines Freundes, das Hemd, die Krawatte, das dichte, dunkle Haar. Das Gesicht war hart und steif wie das einer Puppe. Die Lider der geschlossenen Augen wirkten wie Deckel aus einem festen Stoff, wie etwas Anorganisches. Phils Augen weiteten sich plötzlich in ungläubigem Staunen. Phil fuhr zurück. Mit zitternder Hand strich er sich über die Stirn.
War denn das möglich? Hatte er Halluzinationen? Begannen die Nerven zu versagen? Narrte ihn ein Spuk?
Der Tote hatte dunkelbraune, breite, kurze Hände. Die Finger waren dick und plump. Die Nägel —- genau ließ es sich im Halbdunkel nicht erkennen — schienen rauh und ungepflegt zu sein.
»Das sind doch nicht Jerrys Hände«, murmelte Phil. »Ich ,…«
Verstört brach er ab, Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Seine Hand fuhr auf das Gesicht des Toten zu, zögerte, dann berührten die Finger die Wange, die Stirn, die Nase.
Phil fühlte den harten, plastikartigen, fleischfarbenen
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