Dunkel ist die Sonne
Tiere stießen noch auf zwei weitere Kreuzungen, beide von Pfosten bewacht, die mit metallenen Zungen redeten und ihre grünen Augen leuchten ließen. Deyv ging an ihnen vorbei. Er traf auf kein einziges menschliches Wesen, wofür er dankbar war. Andererseits war ihm wegen ihrer Abwesenheit auch nicht ganz wohl. Waren die hier Ansässigen deshalb unsichtbar, weil es gar keine gab? Oder mieden sie die Straße aus einem guten Grund, den auch er besser kennen sollte?
Jetzt war endlich mehr von dem Berg zu sehen. Die Spitze war zwar immer noch mit etwas Weißem bedeckt, aber tiefer unten war alles schwarz. Wieder fiel Regen, und es kamen weitere Seen in Sicht, die umgangen werden mußten. Deyv erreichte eine Stelle, an der vor langer Zeit eine Katastrophe geschehen sein mußte. Am Rande des Dschungels lag ein Haufen verfaulter Baumstämme, aber über ihnen erhoben sich ausgewachsene neue Bäume. Irgend etwas hatte die Straße hier hochgedrückt und sie wie ein Stück Leder verzogen. Deyv, Aejip und Jum gingen solange neben ihr her, bis sie sich soweit gesenkt hatte, daß sie wieder begehbar war, wenn auch die Oberfläche unregelmäßig blieb. Nach etwa hundertachtzig Metern kam noch eine Kreuzung. Die Pfosten standen hier vollkommen schief, und zwischen je zweien wölbte sich die Straße empor.
Zu dem Zeitpunkt war Deyv klargeworden, daß die Pfähle erst dann reagierten, wenn er sich auf etwa hundert Meter genähert hatte. Jetzt aber klirrten die Pfähle erst, kurz bevor er sich anschickte, die Straße zu verlassen, und die Augen, die sich direkt über den niedrigsten Pfählen befanden, verwandelten sich in ein unheilvolles Rot.
Deyv sprang auf, jedoch nicht so sehr wegen der unerwarteten Reaktion der Pfosten. Auch die Tiere gingen in die Luft – Jum mit Gebell und Aejip mit Gejaule. Als Deyv wieder auf dem Boden aufkam, brüllte er. Er hatte einen Schlag bekommen, der von der Straße selbst ausgegangen sein mußte. Es tat weh, und er sprang herum wie eine Maus, die sich auf einen glühendheißen Stein gesetzt hat. Er versuchte, von der Straße herunterzulaufen, aber wegen der wiederholten Schläge fiel er auf die Nase. Auf der Seite, auf der er dabei aufgeprallt war, durchfuhr ihn daraufhin der Schmerz besonders heftig.
Er stieß einen lauten Schrei aus. Es gelang ihm schließlich, sich von der Straße zu rollen, und dann lag er keuchend im Dreck. Aejip machte eine Bauchlandung, bei der sie fast erstickte. Jum heulte auf und fiel kopfüber auf die Beine seines Herrn.
Als er endlich wieder Luft bekam und seine Muskeln zu zittern aufgehört hatten, setzte sich Deyv aufrecht hin. Die Pfosten klirrten immer noch und verbreiteten immer noch rotes Licht. Mit weichen Knien stand er auf und sah sich um, um sicherzugehen, daß kein Mensch oder Tier durch ihre Schmerzensschreie angelockt worden war. Es war nichts zu sehen.
Doch, es war etwas zu sehen.
Ungefähr sechzig Meter hoch und eine halbe Meile entfernt zog langsam ein Tharakorm über die Straße. Jetzt waren die Seiten und die obere Takelage zu sehen: der weißliche Rumpf, die kurzen Mäste und die gesetzten Segel. Das Gefährt konnte sich nur vom Wind treiben lassen, aber die Geschöpfe, die es an Bord hatte, waren imstande, auch gegen den Wind zu fliegen.
In dem Moment, in dem Deyv das Schiff erblickte, fielen schwarze Wesen aus den Öffnungen am Boden, und weitere sprangen seitlich heraus. Auf diese Entfernung gesehen waren sie nur winzig klein. Aber Deyv wußte genau, wie sie aussahen. Er wußte auch, warum sie das Tharakorm verließen.
4
Es waren vielleicht Hunderte. Rasch flogen sie dem Wind entgegen; die ledernen Flügel schlugen auf und ab. Deyv wankte über das kurze Gras. Er hatte ein schwaches Gefühl in den Beinen, und ihm war schwindlig. Er zwang sich weiter vorwärts und wußte doch genau, daß Jum und Aejip bei weitem nicht in Höchstform waren. Trotzdem liefen sie schneller als er. Ein flüchtiger Blick ließ ihn erkennen, daß die Khratikl abgedreht hatten, um ihm den Weg abzuschneiden. Er versuchte seine Geschwindigkeit zu erhöhen, was ihm auch gelang. Viel machte es jedoch nicht aus. Die Schläge, die er zuvor erhalten hatte, machten ihm noch sehr zu schaffen.
Bevor er den Waldrand erreichte, sah er sich nach seinen Verfolgern um. Sie waren jetzt nahe genug, daß er die rattenähnlichen Köpfe, die flachen, ruderähnlichen Schwänze, die pelzigen schwarzen Körper mit den langen, eng angelegten Beinen und den schwarzen Flügeln sehen
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