Dunkelkammer: Frank Wallerts erster Fall (German Edition)
und wenn Ina ehrlich war, hatte sie überhaupt keine Lust, jetzt nach Hause zu gehen und den Abend alleine zu beginnen. Dieser Mann beeindruckte sie in mehrfacher Hinsicht. Er hatte einiges in ihr angestoßen, und am Ende ihres Kaffeetrinkens war zwischen ihnen eine unerwartete Vertrautheit entstanden, was sie verunsicherte. Er hatte natürlich auf ihren letzten Satz, mit dem sie angedeutet hatte, dass niemand zu Hause auf sie wartete, reagiert. Sie schlenderten über die Schloßstraße. Keiner von beiden schien es eilig zu haben. Als sie auf der „Platte“ angekommen waren, wandte sich Rainer Ina zu und streckte ihr die Hand entgegen.
„Ich danke dir. Es war ein sehr angenehmer Nachmittag!“, sagte er und schaute Ina an.
Sie ergriff seine Hand und hielt sie fest. Eine Weile standen die beiden so zwischen an ihnen vorbei eilenden Menschen.
„Du kannst auch mit zu mir kommen. Ich will meine Tasche nach Hause bringen und mich umziehen. Wir können uns ein Abendprogramm vornehmen.“
Ina nickte.
***
Maren und Malte fuhren schweigend, aber mit einem Höllentempo über die A52 Richtung Düsseldorf. Es war Viertel nach fünf, und es würde sehr knapp werden. Natürlich hatte Malte mit dem Grenzschutz am Flughafen telefoniert und die entsprechenden Bitten vorgetragen. Laut den Informationen der Flugsicherheit war für den Flug 5611 der Lufthansa keine Verspätung zu erwarten. Im Gegenteil, vermutlich würde die Maschine auf Grund der herrschenden Windrichtung sogar etwas früher aufsetzen.
In Kettwig hatte man eine aufgelöste Jenny Ritter zurückgelassen. Malte hatte ihr nur das Nötigste erzählt, was sie völlig aus der Fassung brachte. Dennoch gab sie bereitwillig ein Foto ihres Bruders her, das etwa drei Monate alt und damit sehr aktuell war. Malte hatte ihr verboten, sich am Computer ihres Bruders zu schaffen zu machen, worauf sie eifrig und mit vom Weinen geröteten Augen nickte. Sie schien ehrlich schockiert von den Zusammenhängen, in denen sich ihr Bruder offensichtlich bewegte.
Ein Blick auf die Uhr im Wagen verriet Malte, dass es Zeit war, das Letzte aus dem Wagen herauszuholen. Er schaltete Blaulicht und Sirene ein und trat das Gaspedal durch.
***
Tobias Ritter wurde wach, weil er eine Berührung am linken Unterarm spürte. Sein Sitznachbar machte ihn darauf aufmerksam, dass er sich anzuschnallen hatte. Das Flugzeug war bereits in den Sinkflug übergegangen. Ritter zog seinen Gurt fest und spürte das unangenehme Gefühl in der Magengegend, das ihn immer befiel, wenn er in einem Flugzeug sitzend zur Landung ansetzte. Er atmete tief durch, während sein Nachbar ihn mit sorgenvoll gefurchter Stirn ansah. Einige Minuten später hatte das Flugzeug die Wolkendecke durchstoßen, und Ritter konnte Autos und sogar Menschen erkennen, die sich auf den grauen Bändern bewegten, die sich unter ihm dahinschlängelten. Bei einem Blick über die rechte Tragfläche sah er die Landebahn, die sich schnell näherte. Ebenso schnell wurden die Häuser und Straßen, Autos und Menschen größer, und plötzlich waren es nur noch wenige Meter, die zwischen dem Flugzeug und dem schwarzglänzenden Asphalt der Landebahn lagen. Mit einem ohrenbetäubenden Aufheulen der Düsen setzte das Flugzeug auf und wurde so stark abgebremst, dass es Ritter – wie von einer unbekannten Macht bewegt – nach vorne zog. Kurz darauf rollte das Flugzeug langsam aus, hielt dann kurz an, um schließlich einem rot-weiß gemusterten Flughafenfahrzeug zu folgen, das es auf die endgültige Halteposition geleiten sollte. Wieder atmete Ritter tief durch und löste seinen Gurt. Das Wetter in Düsseldorf war bescheiden. Es regnete und die Bordanzeige verriet den Fluggästen, dass eine Außentemperatur von 10 Grad herrschte. Das Flugzeug stand nun, und Ritter konnte sehen, wie das Gate langsam ausgefahren wurde und sich immer näher an die Ausstiegsluke heranschob. In den Reihen vor ihm waren bereits etliche Menschen aufgestanden, die die Klappen über ihren Köpfen geöffnet hatten und in den Handgepäckfächern ihre Taschen und Jacken zusammensuchten. Er konnte noch sitzen bleiben, denn auch seine Nachbarn machten noch keine Anstalten aufzustehen. Plötzlich ertönte die Stimme des Piloten über die Bordlautsprecher.
„Liebe Fluggäste, bitte bleiben Sie noch an Ihren Plätzen. Wir haben ein kleines technisches Problem an der Ausstiegsluke. Es wird in wenigen Minuten gelöst sein. Bitte setzen Sie sich und warten Sie, bis Sie von unseren
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