Dunkle Halunken: Roman (German Edition)
Buchstabe für Buchstabe: Ich bins gewehsen der Swienieh Tott überwälltikt hat, Dodscher, und das is die Wahrhait.
Kaum hatte er Notizbuch und Stift dem Kutscher zurückgegeben, wurde er von Solomon zum Straßenrand gezogen. Der alte Mann versuchte verzweifelt, einen Regenschirm zu öffnen, ein heimtückisches schwarzes Ding, das Dodger an einen seit Langem toten, aber trotzdem sehr großen Raubvogel erinnerte, der einem das Auge auspicken konnte, wenn man nicht aufpasste. Dodger wies darauf hin, dass der Schirm derzeit nicht nötig war, höchstens als Schutz vor den Pferden, die taten, was Pferde regelmäßig tun, diesmal nur etwas mehr, weil sie noch immer in Panik waren.
Sie machten sich zu Fuß auf den Weg in die Savile Row. In den Nebenstraßen waren mehr Fußgänger unterwegs als sonst, was an dem Kutschenknäuel lag, das sie dankenswerterweise hinter sich gelassen hatten. Sie erreichten ihr Ziel feucht und warm, was manchmal schlimmer war als feucht und kalt, wenn es wie in diesem Fall auch Klebriges von Pferden enthielt: die saubere, glänzende Tür von Davies & Son, Savile Row Nummer 38. Onan ließen sie an einem Laternenpfahl zurück, diesmal mit einem eigens für diesen Zweck gekauften Knochen, der dafür sorgte, dass er dem Rest der Welt keine Beachtung schenkte.
Drinnen versuchte Dodger, der Menge feiner Kleidung gegenüber nicht allzu ehrfürchtig zu sein. Er wusste natürlich, dass es weitaus bessere Klamotten gab, als er jemals getragen hatte, doch es überwältigte ihn, so viele davon auf engstem Raum zu sehen. Er tat so, als wäre das alles für ihn ein gewohnter Anblick, befürchtete allerdings, dass der inzwischen zwar wieder saubere, aber noch immer überaus geruchsintensive Gebrauchtanzug einen Hinweis auf die Wahrheit gab. Und wenn schon. Im Grunde genommen ist ein Schneider ein Schneider, und der Rest ist nur Schein.
Schließlich gelangten sie in die Obhut von Izzy, der klein und dürr war, aber erfüllt von einer lauernden Kraft, die unter anderen Umständen eine Mühle angetrieben hätte. Er erschien wie ein Pfeil zwischen Dodger, Solomon und dem Mann, der die Tür geöffnet hatte, und sprach so schnell, dass Dodger nur verstand: Izzy würde sich um alles kümmern, hatte alles, und alles war in bester Ordnung, wenn man alles Izzy überließ, der immer und überall dafür sorgte, dass alles äußerst zufriedenstellend war, zu einem Preis, den sämtliche Beteiligten als durchaus annehmbar empfinden würden, vorausgesetzt natürlich, und diesem Punkt kam besondere Bedeutung zu, dass man Izzy seine Arbeit verrichten ließ. Er drängte Solomon und Dodger in einen der Umkleideräume, plapperte die ganze Zeit über und entschuldigte sich immer wieder wegen irgendwelcher Anlässe, die überhaupt keiner Entschuldigung bedurften.
Ein Maßband erschien an Dodgers Schultern, nachdem sanfte, aber doch nachdrückliche Hände ihn in die Mitte des Raums bugsiert hatten, wo Izzy ihn mit dem Blick eines Schlachters musterte, der einem besonders schwierigen Mastochsen entgegentritt. Der kleine Mann eilte um ihn herum und nahm mit der Ein-Satz-nach-vorn-und-dann-ein-Sprung-zurück-Methode Maß. Während dieses Tanzes waren die einzigen Worte, die er an Dodger richtete, Variationen von »Wenn Sie sich bitte hierher drehen würden, Sir«, und Sir hier und Sir da, bis Dodger dringend einer Erfrischung bedurfte. Es war auch nicht besonders hilfreich, als der hin und her huschende Izzy seinen Tanz schließlich unterbrach, den Mund in die Nähe von Dodgers linkem Ohr brachte und im Tonfall eines Mannes fragte, der sich nach dem Heiligen Gral erkundigt: »Wie kleidet sich der Herr?«
Die Frage stellte Dodger vor ein Problem, denn er hatte nie groß darüber nachgedacht, auf welche Weise er sich anzog. Er machte es einfach, und das war’s. Doch der kleine Schneider stand vor ihm, als erwarte er einen Hinweis auf das Versteck eines großen Schatzes. Deshalb überlegte Dodger und sagte: »Nun, gewöhnlich ziehe ich zuerst die Unterhose vom letzten Tag an, wenn sie nicht zu schmutzig ist, und dann kommen die Strümpfe … Nein. Halt, stimmt ja gar nicht! An den meisten Tagen streife ich erst das Unterhemd über und dann die Socken.« In diesem Moment durchquerte Solomon den Raum, und zwar mit der Geschwindigkeit eines Gottes, der den Gottlosen eine Lektion erteilen will. Aber er begnügte sich damit, Dodger etwas ins Ohr zu flüstern, was diesen zu der empörten Bemerkung veranlasste: »Woher zum Teufel sollte
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