Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkle Reise

Dunkle Reise

Titel: Dunkle Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Luckett
Vom Netzwerk:
hinauf fort. Ein Herold blieb zurück, und als wir uns der Prozession in den Tempel anschlossen, begleitete er uns. Was nun? Ich riskierte einen Blick zu Silvus. Er sah so überrascht aus, wie ich mich fühlte, das schmale aristokratische Gesicht starr und ausdruckslos. Wir zogen in Nathans Gefolge die Stufen hinauf zum Eingang.
    Bald füllte die Gemeinde den Tempel. Die Priester nahmen ihre Stellung vor dem Heiligtum ein. Nach dem üblichen Brimborium mit Anrufungen und Beweihräucherung und dergleichen ging es zur Sache. Einer schlimmen Sache.
    Die Stimme des Hohenpriesters war kalt wie der Wind unter den Sternen.
    »Er pflegte Umgang mit dem Dunkel. So soll er dorthin gesandt werden.«
    Die vielstimmig gemurmelte Antwort kam zögernd und langsam, beinahe murrend: »Hinweg mit ihm.«
    Den Leuten gefiel die Zeremonie nicht, denn viele hingen noch immer dem alten Herrscherhaus an, aber sie mussten zustimmen. Ruane, der letzte Graf von Tenabra, hatte eben das getan, was ihm vorgeworfen wurde. Es war, wie wenn ein treusorgender Hausvater sich plötzlich als Werwolf entpuppt hätte.
    Der Hohepriester nickte und intonierte den nächsten Satz: »Er machte aus sich einen Meister der Schwarzen Magie. Dies wird aufgehoben und rückgängig gemacht.«
    Die Schatten waren das Einzige, was sich im Tempel bewegte; sie zuckten und tanzten im Licht der einzigen flackernden Kerze vor dem Heiligtum. Wir übergaben die Seele Graf Ruanes von Tenabra dem Dunkel. Und das war nicht mehr als recht und billig. Ruane hatte uns – Ser Silvus de Castro, meinen Herrn, mich, seinen Knappen Will Parkin, Ser Eumas de Reave und andere zum Entsatz der Festung Ys im fernen Westen geführt und war dort zum Feind übergelaufen. War der Feind geworden, könnte man sagen.
    »Seine Seele werde zunichte gemacht«, murmelte die Gemeinde im Chor.
    Der Hohepriester verneigte sich und trat zurück in die Reihe der Kleriker vor dem Heiligtum. Fürst Nathan erhob sich von seinem Platz und trat vorwärts. Sein voller Bariton kontrastierte mit dem metallischen Tenor des Priesters, ebenso wie seine prunkvolle Kleidung mit dem Ordensumhang sich von den gleichförmigen Gewändern des versammelten Priesterkollegiums abhob.
    »Er entehrte sein Rittertum. So soll er degradiert und seines Titels entkleidet sein«, verkündete Nathan, Verdammung in jeder Silbe.
    Der Zeigestab des Tempeldieners ging über die Seiten des aufgeschlagenen Buches, aber Nathan achtete kaum darauf. Ich wette, er hatte die Worte eigens für diesen Anlass auswendig gelernt.
    »So soll es geschehen«, stimmten wir zu.
    Ruanes Sporen, die seinem erschlagenen Leichnam auf dem Schlachtfeld vor Ys abgenommen worden waren, wurden nun mit einem Hammer auf einer Steinplatte zerbrochen. Nathan, der selbst den Hammer schwang, hatte insgeheim einen gedungenen Krieger als Koch mit uns geschickt, der Ruane im fernen Westen ermorden sollte. Das kam mir auch ziemlich unritterlich vor, aber niemand nahm einen Hammer, um Fürst Nathans Zeichen seiner Ritterwürde zu zerschlagen. Der gedungene Mörder hatte Ruane einen tödlichen Pfeil durch den Hals geschossen und dennoch sein Ziel verfehlt, weil Ruane ein Meister der Schwarzen Magie und schwer zu töten gewesen war. Nathan hatte das nicht gewusst. Niemand hatte es damals gewusst. Nathan hatte ihn nur beseitigen wollen, um sich die Grafschaft Tenabra selbst anzueignen. Und nun besaß er sie.
    Er warf die Handvoll Schrottmetall auf den Boden. Das leise Klirren drang in der atemlosen Stille bis in die letzten Winkel des Tempels. Der Fürst wandte sich wieder dem Buch zu, das der Tempeldiener hielt.
    »Er brachte Schande über seine Familie. So soll er seiner Ehre und seines Vermögens für verlustig erklärt werden«, las er mit erhobener Stimme.
    Dazu hatte er auch allen Grund. Es war seine endgültige Rechtfertigung. Nun würde er völlig legal die Grafschaft Tenabra übernehmen und auch regieren. Wer konnte ihm widersprechen? Graf Ruane von Tenabra war ehrlos vor der Festung Ys gestorben, nachdem er das Heer des Dunkels gegen seine eigenen Leute geführt hatte. Eumas de Reave, der drei Schritte von mir entfernt stand, hatte den tödlichen Streich gegen ihn geführt.
    »So geschehe es.« Die vielstimmige Antwort war ein müdes Seufzen, außer von Eumas. Eumas sagte es mit grimmiger Befriedigung. Ruane hatte die Toten auferweckt, um seinen Knappen zu ermorden, einen Jungen von sechzehn Jahren.
    Ich sagte es den anderen. Silvus auch. Nathans Gardisten beobachteten

Weitere Kostenlose Bücher