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Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie

Titel: Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuala O'Faolain
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einer Serviceleistung, die ältere Menschen mit Depressionen in Anspruch nehmen konnten. Diese Möglichkeit hatte Reeny ausfindig gemacht, die überhaupt sehr geschickt mit dem Gesundheitssystem umgehen konnte. Sie hatte den Fragebogen auch für sich selbst ausgefüllt, aber als die Psychologin dann ein Vorgespräch mit ihr führte, musste Reeny gestehen, dass sie sich nur angemeldet hatte, weil sie alles, was man kostenlos haben konnte, nutzen wollte.
    »Ihre Tante ist sehr antriebsarm und zeigt wenig Initiative«, sagte die Psychologin einmal sehr ernst zu mir, als ich sie zur Tür begleitete.
    »Sie geht zu oft in den Pub«, murmelte ich.
    Aber das interessierte die Dame nicht weiter. Für sie gab es nur ihr Spezialgebiet.
    Ich ging zurück in die Küche und griff nach meinem Buch. Ich hörte, wie Min über mir ständig einen anderen Sender einstellte. Sie hatte das kleine Transistorradio neben sich auf dem Kopfkissen, so nah bei ihrem Gesicht, dass es von ihrer wilden grauen Haarmähne halb verdeckt wurde.

    Es dauerte nicht lang, dann erkannte ich am Rhythmus ihrer Schritte auf der Treppe, ob sie aufgestanden war, um etwas mit mir zu unternehmen, oder ob sie lieber gleich in den Pub wollte. Ihre Schritte waren auch deswegen so deutlich zu hören, weil ich den alten Teppich von den Stufen entfernt hatte, damit man das Holz abbeizen und neu lackieren konnte.
    »Rosie!«, rief Min immer sehr freundlich, sobald sie die vorletzte Stufe erreichte. »Warum sitzt du so still hier herum?«
    Das war natürlich nur eine rhetorische Frage, und es spielte keine Rolle, ob ich antwortete oder nicht. Den ganzen Herbst über ließ ich die hintere Tür zum Garten immer offen stehen. Ich mochte den hellen Lichtstreifen auf dem Küchenfußboden, und es gefiel mir, wenn die kurzen gelben Vorhänge in der warmen Brise wehten. Auch Min lächelte oft ganz entzückt, wenn sie das sah. Aber als es dann kälter wurde, wanderte ihr Blick immer als Erstes zum Kaminherd.
    »Da hast du aber ein wunderbares Feuer!«, sagte sie fast verträumt und setzte sich in den kleinen blauen Sessel, griff zur Kohlenzange, um den Flammen noch mehr Nahrung zu geben. Und wenn das Feuer schon etwas schwächelte, legte sie sehr umsichtig ein paar Holzscheite nach, immer an den strategisch richtigen Stellen, damit die Scheite, wenn sie zu brennen anfingen, das ganze Feuer belebten. In der Hinsicht war sie absolut genial. »Gott sei Dank gibt’s Kohlen!«, sagte sie immer und ergänzte ihr Werk mit leichter Hand durch grobkörnigen Kohlenstaub.
    Manchmal geriet sie so in Fahrt, dass sie anfing, von dem Herdfeuer bei ihr zu Hause zu erzählen, in der Küche in Stoneytown, wo sie aufgewachsen war.
    Wenn dieser Name fiel, wurde ich immer hellhörig. Stoneytown war eine Steinbruchsiedlung am Meer, an die Min nicht besonders gern erinnert werden wollte und die für mich so exotisch war wie Shangri-La.

    »Ach, was haben wir immer gefroren!«, seufzte sie. »Wenn die Boote es nicht geschafft haben, von Milbay rüberzukommen, um die Steine zu transportieren, dann kriegten wir keine Kohlen«, sagte sie, fröstelte theatralisch und rückte ganz nah zum Feuer. »Es konnte passieren, dass wir wochenlang keine hatten.«
    Ich hatte mich oft gefragt, warum das Feuer für sie so wichtig war – bis mir eines Tages klar wurde, dass in den entlegenen Teilen Irlands während der hoffnungslos ärmlichen dreißiger Jahre Feuer gleichbedeutend war mit dem Leben selbst. Der Kaminherd in der Küche musste für diese Menschen so etwas wie ein Altar gewesen sein. Sie waren in jeder Hinsicht auf das Feuer angewiesen, sie brauchten es zum Kochen, zum Brotbacken, um sich zu wärmen, um die Wäsche zu trocknen. In der Nähe von Stoneytown gab es zwar einen Wald, erzählte Min, aber Buchenholz taugte nicht als Feuerholz. »Das ist dir doch klar, oder?«
    Selbst wenn sie schon den Mantel angezogen hatte, um rauszugehen, setzte sie sich manchmal noch eine Weile hin, weil es ihr so viel Vergnügen machte, das Feuer anzufachen. Dann stellte sie ihre große Handtasche auf die Knie und starrte in die Flammen. Im Abglanz des Feuers wirkte ihr Gesicht wieder ganz jung.
     
    Nicht jeden Tag, aber zwei- oder dreimal in der Woche stellte sie sich vor den kleinen Spiegel in der Waschküche, um Lippenstift aufzutragen und um sich mit der Bürste durch die Haare zu fahren. Die Leute lächelten oft unbewusst, wenn sie meine Tante sahen: Min war nur knapp eins fünfzig groß, und ihre Augen waren so

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