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Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie

Titel: Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuala O'Faolain
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sagen wollte. Als wir uns verabschiedeten, sagte ich nur noch einen Satz über die Vergangenheit, die plötzlich ganz anders aussah: »Ich hätte in Stoneytown aufwachsen können.«
    »Was passt dir denn nicht daran, wie du bist?«, erwiderte sie. »Du bist wunderbar, so wie du bist.«
     
    Ganz vorsichtig angelte ich meinen BH und meinen schwarzen Rock aus Leos Bett. Er wachte trotzdem kurz auf und lächelte mich an.
    »Danke, Rosie«, sagte er, drehte sich auf die andere Seite und murmelte: »Sag mal, mein Schatz – warum hast du eigentlich behauptet, dass Flaubert an deinem Geburtstag gestorben ist? Das war nicht im September.«
    »Ich danke dir «, flüsterte ich zurück. »Das mit Flaubert ist schon okay. Schlaf weiter.«

    »Trotzdem«, fügte er im Halbschlaf noch hinzu. »Für zwei Menschen in unserem Alter haben wir das doch sehr gut hingekriegt.«
    »Stimmt.« Ich küsste ihn auf die Wange. »Aber egal, wie viel wir darüber reden – niemand behauptet, dass die mittleren Jahre an die mittelalten Menschen vergeudet sind.«
    Ich ging nach oben. Ein paar Minuten später lag ich in meinem eigenen kühlen Bett. Ich machte das Licht aus, und sofort landete Bell auf meinen Füßen, mit einem bewundernswert präzisen Sprung. Sie machte es sich unter meinen Sohlen bequem, wie diese kleinen Hündchen auf den Grabmälern mittelalterlicher Ritter.
    Ich lag da, hellwach, und ließ den Tag, der nun zu Ende ging, noch einmal Revue passieren. Was hatte ich gelernt? Von nebenan hörte ich die Melodie von »Lady in Red«, obwohl Reeny die Lautstärke heruntergedreht hatte. »Lady in red is dancing with me cheek to cheek …« Reeny tanzte wieder mal mit sich selbst, die Küche auf und ab, die Augen halb geschlossen, ihr Weinglas elegant in der ausgestreckten Hand.
    Wie war es möglich, dass mir der Gedanke »Min liebt meinen Dad« nie gekommen war? Wieso hatte ich einfach akzeptiert, dass die beiden so waren, wie sie waren? Lag es daran, dass ich gerade zu pubertieren anfing, als mein Vater starb? Ich konnte gar nicht darauf achten, was sich zwischen ihnen abspielte. Zwischen einem liebenden Mann, der wusste, dass er nicht mehr lang leben würde, und der jungen Frau, die alles mit ihm teilte.
    Warum hatte ich nichts gemerkt?
    Oder hatte ich doch etwas gemerkt?
    Ich spürte ein trockenes, leicht angespanntes Gefühl um die Augen herum, während ich in die Dunkelheit starrte. Das erinnerte mich an etwas.
    In der Hütte trommelte der Regen oft laut auf das Blechdach. Und gelegentlich überraschte mich auch geräuschloser Nieselregen,
wenn ich aufwachte und rausging, um zu pinkeln. Ich hüpfte von der Eisenbahnschwelle, die als Eingangsstufe diente, und wusste genau, wo das Gras dicht genug wuchs, dass ich barfuß darauf stehen konnte. Es war nie ganz dunkel, selbst wenn die Wolken den Mond verdeckten. Die Straßenlaternen von Milbay, die bis zum Kai hinuntergingen, beleuchteten matt den weißen Streifen aus grobem Sand unterhalb der Wiese, auf der ich kauerte.
    Ein bisschen Licht fiel auch durch das kleine Fenster und half mir, den Weg zurück zu dem Bett zu finden, das ich mit Min teilte. Auf Zehenspitzen tippelte ich an der Matratze im vorderen Zimmer vorbei, auf der mein Vater schlief. Und ein paarmal, ganz selten, sah ich, dass er mit weit offenen Augen in die Dunkelheit starrte. Und wenn ich ins Bett kletterte, waren auch Mins Augen weit offen.
    Damals dachte ich mir nichts dabei.
    Aber jetzt, in dieser Nacht, empfand ich in meinem Herzen eine tiefe, zärtliche Zuneigung zu diesen beiden Menschen. Ich wusste nicht, warum sie nicht aufeinander zugehen konnten oder wollten, und ich wusste auch nicht, was sie voneinander wussten. Aber ich wusste, dass sie beide im Dunkeln wach lagen, keine drei Meter voneinander entfernt. Sie konnten einander atmen hören.
    Ich drehte mich auf die Seite und schloss die Augen.
    Sie waren dort geblieben, wo sie waren. Sie hatten mich nicht im Stich gelassen, um wirklich zusammen sein zu können. Ich war ein kleines Mädchen gewesen, und sie blieben bei mir, jeder auf einer Seite, zwei verlässliche Säulen, zwischen denen ich geborgen war.
    Das darf ich nicht vergessen, dachte ich, als die ersten Schlafnebel in meinem Kopf hochstiegen. »Gedanke Nr. 10« hätte sich mit der Liebe befassen müssen. Die Liebe ist der Mittelpunkt. Vergiss das nicht, weil du jetzt ja noch einmal von vorn anfangen
musst. Denk daran, wie die beiden einander geliebt haben und wie sie dich geliebt haben, und denk

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