Dunkle Verführung: Erotische Vampirstorys (German Edition)
das Gefühl, gleich vom Rand der Welt zu fallen und sich in alle Ewigkeit mit den Schneeflocken und Sternen zu drehen. Rennen, rennen. Aber das war in dieser Kleidung unmöglich. Er war fett und ungelenk. Er war Fleisch.
Die Wangen der Frau waren gerötet, und als Doug einen verängstigten Blick in ihre Richtung warf, öffnete sie den Mund zu einem breiten, triumphierenden Lachen. Doug sah seinen Tod direkt vor sich; dort, wo das Mondlicht ein Paar weiße Fangzähne aufblitzen ließ. Ihr Rachen war wie eine samtige rote Höhle, und er wurde größer, bebte von ihrem Lachen und wogte von feuchten, gespannten Sehnen.
Wenn ich einfach weiterrenne … nur weiter …
Aber es gab nichts, wohin er laufen konnte, und dann roch und spürte er sie. Ihr blondes Haar verfing sich in seinem Bart. Und dann sah er nichts mehr außer ihrem offenen Mund, und alles wurde nass und rot.
3
Esther war einst Selin gewesen, Dienerin in einem der großen, hölzernen Yalis, den Sommervillen an den bewaldeten Ufern des Bosporus. Mit dem Niedergang des osmanischen Reichs verrichtete sie nur noch dumpfe Sklavenarbeit. Billy dagegen verschlief seine Tage geschützt vor der Sonne hinter den Fensterläden der Gemächer von Kasim Nadir, der sein vampirischer Mentor und Betreuer und ein Mann von äußerster Grausamkeit war.
Damals wusste Billy noch nicht, dass er ein Schneevampir war. Rastlos und einsam hatte er seine sächsische Heimat in Europa verlassen, wo er ein niedriger Adliger gewesen war und sich nach Frieden und Kameradschaft gesehnt hatte. Er hatte keine Ahnung, welche Macht ihn gebissen und verwandelt hatte. Ein Seemann war es gewesen, mehr wusste er nicht. Mit den Vampiren aus den Karpaten, denen er begegnet war, hatte er sich nicht verstanden, und nachdem er erfahren hatte, wie die Türken unter Vlad Dracula, der seine Opfer zu pfählen pflegte, gelitten hatten, wandte er sich nach Osten, weil er sich sagte, dass die Antwort vielleicht im Land von Vlads Feinden lag. Es sollten noch Jahrzehnte vergehen, bis Billy begriff, welche Macht er besaß, und die Vampirlinie fand, der er angehörte.
Konstantinopel bezauberte ihn. Es war eine magische Stadt, ein Ort schrecklicher Schönheit, die auf Lust, Poesie und Unbarmherzigkeit ruhte. Nadir, ein Mann, der so brutal war wie das Land, das ihn hervorgebracht hatte, war hocherfreut gewesen, Billy unter seine Fittiche zu nehmen. Gemeinsam hatten sie die Gassen und Gärten der Stadt heimgesucht, im Schatten von Moscheen gelauert oder Wasserpfeife geraucht, wobei Billy sein blondes Haar unter einem Turban verbarg. Manchmal waren sie am dicht bewaldeten Ufer auf die Jagd gegangen und hatten sich in fleckigem Mondlicht unter dem Blätterdach an ihren Opfern gelabt. »Nimm den hier«, hatte Nadir befohlen, oder, »ignoriere diese Bäuerin, ihre Haut sieht rau aus.«
Doch seit Billy Selin gesehen hatte, war alles anders geworden. Sie saß in der Abenddämmerung allein am Bosporus und hielt die blassen Füße ins Wasser. Verwegen hatte sie ihre Schleier zurückgeschoben und üppige schwarze Locken, ein sanftes Gesicht und einen schlanken Hals von köstlicher slawischer Blässe enthüllt. Seit Billy in die Türkei gekommen war, hatte er von Frauen wenig mehr gesehen als ihren scheuen Blick über dem Rand ihrer Yashmaks.
»Nimm sie«, befahl Nadir.
Billy beobachtete sie noch ein paar Sekunden und wandte sich dann zu Nadir um. »Nein«, sagte er ruhig und deutlich.
Das war das erste Mal, dass Billy ihm trotzte. Nadir, der genauso dunkelhäutig wie die von ihm verachteten Bauern war, zog eine Augenbraue hoch, und seine schmalen, sinnlichen Lippen zuckten amüsiert.
»Wilhelm«, neckte er ihn. »Du bist verliebt.«
Während der nächsten paar Monate schien die Frau ihnen bei ihren nächtlichen Streifzügen immer wieder zu begegnen. Immer wieder traf Nadir zufällig auf sie, wenn sie sich die Füße wusch, am Fenster ihr Haar flocht, an einem Brunnen einen Wasserkrug füllte oder in einem Garten Blumen pflückte. Nach ihren prächtigen Kleidern zu urteilen war sie eine hoch geschätzte Dienerin oder sogar eine Favoritin. Billy wagte sich den Grund gar nicht vorzustellen.
Einmal hatten die beiden Vampire in einem von Laternen erhellten Garten hinter einer Marmorsäule gestanden und beobachtet, wie sich das Mädchen an einer Rosendorne stach. Sie hatte den Kopf geschüttelt, und die Edelsteine, die an dem Schal um ihren Kopf baumelten glitzerten in dem weichen Licht. Billy hielt seinen Blick auf
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