Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz
ging er diesmal unter den Arkaden der Uffizien hindurch. Seine Füße waren inzwischen kalt und nass geworden. Er ließ den Ponte Vecchio links liegen und lief weiter am Arno entlang. Der Regen nahm von Minute zu Minute ab, trotzdem brauchte man noch einen Schirm. Ohne stehen zu bleiben, spähte er über die Brüstung. Der Arno schwoll immer mehr an, Schlamm spritzte auf seiner Oberfläche, und er floss schnell und düster rauschend dahin. Es war bestimmt nicht witzig, wenn man jetzt dort hineinfiel. Als Casini die Kreuzung zur Via de’ Tornabuoni erreichte, hörte der Regen schlagartig auf, und er schloss mit einer gewissen Erleichterung den geschmacklosen Schirm. Der Mond war beinahe hinter einer dichten Wolkendecke verschwunden, er wirkte wie eine Taschenlampe, die versuchte, sich mit ihrem Strahl durch den Nebel zu arbeiten.
Als Casini den Ponte Santa Trinita überquerte, fielen ihm auf der anderen Flussseite ein paar junge Männer mit Vespas und Lambrettas auf, die langsam am Bürgersteig der Via Maggio entlangfuhren und ihre Hände drohend gegen einen Mann erhoben, der dort ruhig entlangging. Er sah, wie sie ihre Motorroller abstellten und den Mann einkreisten. Casini ging schneller, und während er näher kam, hörte er, wie die jungen Männer sich über den Mann lustig machten. Sie waren zu fünft, alle so um die zwanzig.
»Schwuchtel … Das hättest du gern, wie?« Einer der jungen Männer bewegte eine Hand über dem Reißverschluss seiner Hose auf und ab.
»Hinten rein, hinten rein, hinten rein«, skandierte ein anderer.
»Wann hat man es dir das letzte Mal von hinten besorgt?«
»Du stehst wohl auf kleine Jungs, was? Du perverses Schwein!«, sagte der vermutliche Anführer der Gruppe und versetzte dem Mann eine Ohrfeige, die durch die Stille der Straße hallte. Nun schlugen die anderen vier ebenfalls mit der offenen Hand auf den Mann ein, und der arme Kerl fiel zu Boden. Die Angriffe wurden immer härter, jetzt traten sie ihm sogar ins Gesicht. Und sie bemerkten den leicht untersetzten Mann nicht einmal, der mit großen Schritten näher kam.
»He, Bürschchen …«, sagte Casini und blieb hinter ihnen stehen. Sie drehten sich alle gleichzeitig zu ihm um, ein stumpfsinniges Grinsen im Gesicht.
»Was für ein hübscher Schirm«, spottete der Anführer.
»Eine Schwuchtel zieht die andere an«, sagte ein anderer, und es gab Gelächter.
»Da ist noch genug für dich übrig, Opa.«
»Zeigt uns mal, wie ihr es euch gegenseitig besorgt«, sagte der Anführer und ging forsch auf Casini zu. Der Opa ließ den Regenschirm fallen und rammte ihm die Faust direkt ins Gesicht, so dass der junge Mann über den Boden rollte. Die übrigen vier zögerten wuterfüllt. Casini sah ihnen der Reihe nach in die Augen. Sie waren gut gekleidet, ihre Gesichter sauber. Söhne reicher Eltern.
Der Anführer stand langsam auf. Er zitterte, seine Jacke war mit Blut befleckt, und er hielt sich mit einer Hand die Lippe. Der Kommissar steckte selbstsicher die Hände in die Taschen. Er fühlte sich wie der Schöne aus dem Film, den er im Gambrinus gesehen hatte. Natürlich wusste er genau, dass er keine Chance hätte, wenn sie sich gleichzeitig auf ihn stürzten. Er musste auf ihre Angst setzen, aber er wollte auch nicht seinen Polizeiausweis zücken.
»Ich gebe euch zwei Sekunden, um von hier zu verschwinden, sonst könnt ihr eure Zähne einzeln zählen«, drohte er und holte plötzlich die Fäuste aus den Taschen. Er sah, wie sie zusammenzuckten und Blicke wechselten. Er musste nur einen Schritt vorgehen, und die jungen Männer sprangen auf ihre Roller, gaben Vollgas und verschwanden unter Beleidigungen und Gelächter.
Schließlich kam der Kommissar dem Verletzten zu Hilfe, der auf dem Boden sitzen geblieben war und das Ganze beobachtet hatte. Sein Gesicht blutete, und er atmete keuchend. Casini hatte ihn ab und zu durch das Viertel laufen sehen und sofort gemerkt, dass er nicht auf Frauen stand.
»Alles in Ordnung?«
»Ehrlich gesagt ging es mir vorher besser«, brummte der Mann und dehnte die Worte ein wenig. Er brachte sogar ein Lächeln zustande. Er musste ungefähr im gleichen Alter sein wie der Kommissar. Ein dünner Mann mit einem langen, eingefallenen Gesicht und zwei wässrigen Augen, aus denen er wie ein geprügelter Hund blickte. Der orangefarbene Schal um seinen Hals war blutgetränkt ebenso wie sein Hemd und seine Jacke.
»Soll ich Sie zur Notaufnahme begleiten?«
»Casini, erkennst du mich wirklich nicht?«,
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