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Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Roman

Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Roman

Titel: Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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frei zu machen. Ein im Boden verankerter Draht hatte eine Panzermine ausgelöst, und Cavadossi war in die Luft geflogen. Casini und die anderen hatten schnell seine Einzelteile und die Erkennungsmarke gesucht. Sie hatten beinahe alles von ihm gefunden, nur eine Hand blieb verschwunden. Dann hatten sie Cavadossis Überreste in einen Sack gepackt und diesen mit einer Schnur zugebunden. Erst als sie sich zu ihrem Lager aufmachten, hatte Casini endlich die Hand entdeckt. Sie war unversehrt geblieben, halb geöffnet und so sauber abgetrennt wie durch einen Axthieb. Weil der Sack schon zugebunden war, hatte Casini die Hand in ein Taschentuch eingewickelt und in seinen Rucksack gepackt.
    »Mein Gott, wie furchtbar …«, hatte sie gesagt. Sie hatten zwei Stunden in dem Lokal gesessen und sich unterhalten – und sich weiter gesiezt. Als sich die Erschöpfung des Tages bemerkbar machte und Eleonora das erste Mal gähnte, hatte Casini die Rechnung verlangt. Danach hatte er sie nach San Niccolò zurückgefahren, und sie hatte ihn gebeten, an der Ecke Via San Salvatore al Monte anzuhalten. Eigentlich hatte er gehofft, sie würden noch ein paar Minuten im Wagen sitzen bleiben und sich unterhalten, aber sie hatte sofort die Tür geöffnet und einen ihrer kleinen Füße nach draußen gesetzt.
    »Wollen Sie sofort gehen?«, hatte er sie gefragt und war rot geworden, was man wegen der Dunkelheit nicht sah.
    »Ich falle um vor Müdigkeit. Vielen Dank für den schönen Abend«, hatte sie gesagt und leicht spöttisch dazu gelächelt.
    »Es war mir ein Vergnügen …«, hatte er gebrummt. Dann war er ausgestiegen, um sie bis nach Hause zu bringen, doch Eleonora hatte entschieden abgelehnt. Sie wollte keine Begleitung bis zur Haustür, es bestünde keine Gefahr. Aber vielleicht hatte sie das nur so gesagt und wollte sich in Wahrheit nicht mit ihm vor den Leuten sehen lassen, die dort unter freiem Himmel schliefen. Was bedeutete das? Einfach nur, dass andere nichts über ihre Angelegenheiten erfahren sollten? Oder schämte sie sich, weil er zu alt war?
    Sie hatten einander schweigend gegenübergestanden, in dieser seltsamen Dunkelheit, die nur der Mondschein erhellte, und einander in die Augen gesehen. Dann kam sie näher, immer noch mit diesem spöttischen Lächeln … Ihre Lippen hatten sich geöffnet … Aber im letzten Moment war sie zurückgewichen.
    »Gute Nacht«, hatte sie geflüstert und war hinunter zu ihrem Haus gegangen. Er hatte zugesehen, wie sie sich entfernte, und dem Geräusch ihrer Schritte auf dem Straßenpflaster gelauscht … Hätte ihn die schöne Eleonora wirklich beinahe geküsst? Oder hatte er sich das nur eingebildet? Danach war er in seinen Wagen gestiegen, hatte hastig eine Zigarette geraucht und war nach Hause gefahren, unsicher, wie er sich jetzt fühlen sollte. Vielleicht machte sie sich bloß hinter seinem Rücken über ihn lustig, wollte nur ihr Spiel mit ihm treiben, mit dieser beinahe boshaften Unbekümmertheit der jungen Leute. Und wenn sie doch … Aber nein, wie sollte eine junge Frau von fünfundzwanzig … Na ja, manchmal … Warum hätte sie ihm sonst so nahe kommen sollen … Eigentlich war es so, als hätten sie sich wirklich geküsst … Es hatte nicht viel gefehlt … Oder sie machte sich doch hinter seinem Rücken über ihn lustig, spielte nur mit ihm, wollte ihn in den Wahnsinn treiben …
    Er drehte sich im Kreis. Am besten, er ging ins Bett und schlief erst einmal über das Ganze. Es kam nie etwas Brauchbares heraus, wenn man mit müdem Kopf nachdachte. Er versuchte, sich abzulenken, indem er sich Eleonora vorstellte, wie sie den Schlamm auf der Straße wegkehrte, und die Bewegungen ihres Besens zählte … eins … zwei … drei … vier …fünf …
    Casini schreckte aus dem Schlaf, als jemand ausdauernd an seine Tür klopfte. Draußen war es dunkel. Er schaltete die Taschenlampe ein und sah auf die Uhr: zehn vor eins. Wer zum Teufel konnte das sein? Es klopfte wieder. Er stellte die Füße auf den Boden und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht. Er kam sich vor, als hätte er unter glühender Sonne Steine geklopft. Nachdem er aufgestanden und in Unterhosen die Tür geöffnet hatte, sah er sich einem großgewachsenen Mann gegenüber.
    »Salve, Commissario, ich bin’s, Bruno Arcieri.«
    »Arcieri? Haben wir uns nicht mal vor einigen Jahren getroffen?«
    »Ja, das war 1957. Da kam ich zu Ihnen und habe Sie um einen Gefallen gebeten. Darf ich hereinkommen?«
    »Bitte …« Casini

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