Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Roman
Casini. Rosa schnupperte noch einmal und rümpfte die Nase.
»Du riechst nach Zirkus … Als ob man am Arsch eines Löwen schnuppert«, meinte sie, und ein Lächeln huschte über ihre Lippen.
»Noch keine Frau hat mir ein so aufregendes Kompliment gemacht. Darf ich kurz reinkommen?« Er musste sich dringend setzen, und wenn auch nur für eine Minute.
»Nicht mit diesen dreckigen Stiefeln«, meinte Rosa schaudernd. Seufzend zog Casini sie aus und stellte sie auf den Treppenabsatz.
»Ist es so gut?« Er wartete Rosas Erlaubnis ab, bevor er sich mit schlurfenden Schritten in ihr Wohnzimmer schleppte und dabei feuchte Abdrücke auf dem Boden hinterließ. Noch im Mantel setzte er sich auf das Sofa und ließ sich gegen die Rückenlehne sinken. Der Tag hatte kaum angefangen, und er fühlte sich bereits völlig erschöpft. Doch er sollte nicht jammern, am Abend zuvor war es ihm viel schlechter gegangen. Rosa setzte sich neben ihn auf die Seitenlehne und überhäufte das sich windende Kätzchen mit Küssen.
»Du böse kleine Mieze, wo willst du denn hin?« Sie war inzwischen wieder ganz die Alte, als wäre nichts geschehen.
»Rosa, hättest du ein Glas Wasser für mich?«
»Ich habe einen ganzen Kasten voll, mit Kohlensäure. Möchtest du eine Flasche mitnehmen?«
»Ein Glas genügt mir.« Casini hoffte, so den bitteren Geschmack im Mund wegzuspülen. Rosa setzte Krümelchen auf den Teppich und ging in die Küche, um Wasser zu holen. Das Kätzchen nutzte diese Gelegenheit und sprang auf den Tisch. Im Nu hatte es mit der Pfote eine Nuss aus der Obstschale geangelt und auf den Boden geworfen. Dann sprang es herunter und trieb die Nuss mit Pfotenhieben durch das ganze Zimmer. Casini schaute nach, wie spät es war. Halb elf schon. Er stand auf und ging Rosa entgegen, die ihm das Wasser brachte. Er trank das Glas mit ein paar Schlucken so genussvoll aus, wie er es sich nie hätte träumen lassen.
»Ich muss los.« Er wandte sich zur Tür.
»Wasch dich so schnell es geht, in deiner Nähe ist es nicht auszuhalten«, meinte sie und folgte ihm. Casini zog sich die Gummistiefel wieder an und verabschiedete sich von Rosa. Während er die Treppe hinunterging, liefen ihm kalte Schauer über den Rücken. Hoffentlich kam das Fieber nicht zurück.
Santa Croce war noch überflutet. Er musste einen langen Umweg über die Piazza D’Azeglio zur Piazza Beccaria machen, um nicht durch das Hochwasser zu laufen. Überall bot sich das gleiche Bild: Tierkadaver, entwurzelte Bäume, Durchlauferhitzer, Fernseher, bergeweise zermatschtes Obst und Hunderte von Autowracks, die man nur noch dem Schrotthändler schenken konnte. Er sah sogar einen Haufen toter Fische und einige gestrandete Boote.
In den Gebieten, die nicht mehr unter Wasser standen, türmte sich der Schutt vor den Läden. Der Gestank nach Heizöl verpestete die Luft und nahm einem besonders in den engen Straßen den Atem. Hin und wieder kamen Amphibienfahrzeuge des Heeres vorbei, auch Jeeps, Feuerwehrautos – und Krankenwagen.
Das Tor an der Piazza Beccaria wurde von einem Stapel Autos eingerahmt, die sich übereinandergeschoben hatten. Alle Zufahrtswege zum Stadtzentrum waren mit Militärfahrzeugen abgesperrt. Auf den Alleen herrschte ziemlicher Verkehr, und Reifen fuhren schmatzend durch den Schlamm. Casini überquerte den Platz, dann bog er in die Via Gioberti ein. Nachdenklich betrachtete er die schwarze Spur des Heizöls, die sich über die Fensterreihe im ersten Stock zog. Er lief langsam, denn ihm taten die Beine weh. Er ging unter dem Bogen zur Via Luna durch, der während der Flut ganz unter Wasser gestanden hatte. Casini wusste gut, dass er im Begriff war, etwas vollkommen Nutzloses zu tun. Trotzdem betrat er die Gasse, die für einige Stunden seine Hoffnung genährt hatte, und blieb auf dem Wendeplatz stehen. Wie erwartet hatte das Wasser die Haustür eingedrückt. Er ging hinein, um sich seine Niederlage offenkundig zu machen. Es gab vier Räume, die von der Schlammflut vollkommen verwüstet waren. Der Boden war mit Abfall bedeckt. Eine kleine Tür führte in den Keller hinab, in dem das Wasser bis zum Rand stand. Casini zündete sich seine letzte Zigarette an, das leere Päckchen warf er auf den Boden. Der Arno hatte seine letzte Hoffnung vernichtet, hatte den einzigen, hauchdünnen Faden gekappt, der ihn vielleicht aus diesem Labyrinth hätte führen können.
Casini kehrte auf die Piazza Beccaria zurück und schlug dann den Weg zum Piazzale Donatello ein, lief
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