Dunkle Wolken über den Schären: Mittsommerträume (German Edition)
kleinen Schäreninsel vor der Küste von Lillebom einfinden.
Magnus selbst plagten währenddessen andere Sorgen. Für seinen Geschmack dauerte alles viel zu lange. Der Flug schien sich eine Ewigkeit hinzuziehen, und die Schlange bei der Passkontrolle kam ihm endlos vor. So ging bereits die Sonne auf, als er vor dem Flughafen Heathrow ein Taxi heranwinkte, das ihn in durch die morgendliche Rushhour in die Londoner City beförderte.
“Zu dieser Adresse bitte”, wies er den Fahrer an und reichte ihm den Zettel, auf dem Anni-Frid ihm die Anschrift von Jennys Cousin in London notiert hatte. Den Rest der Fahrt blickte er schweigend aus dem Fenster und versuchte sich darüber klar zu werden, wie man in einer Stadt wie dieser bloß leben konnte.
Zwar hatte Magnus jahrelang in Stockholm gewohnt, doch dort war es ihm nie so überfüllt, so lärmend und laut erschienen wie hier. Sie fuhren eine breite Einkaufsstraße entlang, ein Geschäft reihte sich an das nächste, und es herrschte ein schreckliches Gedränge. Menschen schoben sich aneinander vorbei, während aus den Ausgängen der U-Bahn-Stationen immer wieder Hunderte nachdrängten.
“Ist es hier immer so voll?”, fragte er schaudernd seinen Taxifahrer.
“Nein, Sir”, antwortete er grinsend. “Sonntags geht’s ruhiger zu. Sie waren wohl noch nie in London?”
Magnus schüttelte den Kopf. Und soweit es ihn betraf, verspürte er auch keinen Drang, längere Zeit zu bleiben. “Ist es noch weit?”, wollte er wissen und rutschte unruhig auf dem Rücksitz hin und her. “Ich meine, brauche wir noch lange?”
“Kaum. Wenn wir die Tottenham Court Road erst einmal erreicht haben, kommen wir sicher besser voran. Ein paar Minuten wird’s aber noch dauern.”
Tatsächlich verging aber noch fast eine halbe Stunde, ehe das Taxi vor einem schmalen Haus in der Great Russel Street anhielt, in dem Jenny für die Dauer ihres Londonaufenthaltes untergekommen war. Die Fassade war mit dunklem Klinker versehen, eine kleine Treppe führte hinauf zur leuchtend rot gestrichenen Haustür.
Magnus stieg aus dem Wagen. “Warten Sie bitte kurz?”
Der Taxifahrer lachte. “Klar. Es ist Ihr Geld, Sir. Die Uhr läuft.”
Magnus atmete noch einmal tief durch, dann stieg er die Stufen hinauf und klopfte an die Tür. Zunächst rührte sich nichts, aber dann sah er, wie im oberen Stockwerk ein Vorhang zur Seite gezogen wurde. Kurz darauf hörte er jemanden die Treppe hinunterpoltern, und im nächsten Moment wurde die Tür von einem Mann um die vierzig geöffnet. “Ja, bitte?”, fragte er. “Kann ich Ihnen irgendwie helfen?”
“Sind Sie Erik Mälarsson?”
Der Mann nickte. “Der bin ich. Kennen wir uns?”
“Nein, aber Ihre Cousine und ich sind … Ich liebe Jenny.”
“Das ist aber jetzt wirklich Pech!”
Magnus blinzelte irritiert. “Wie bitte?”
“Jenny ist nicht da”, erklärte er achselzuckend. “Sie ist gestern Abend in mein Gästezimmer eingezogen. Ich war dann noch mit ein paar Freunden verabredet, und als ich gegen Mitternacht zurückkam, bin ich rauf, um nach ihr zu sehen. Sie war weg, und mit ihr all ihre Sachen. Sie hat nur einen Zettel dagelassen. Ich soll mir keine Sorgen machen, sie konnte nur einfach nicht länger bleiben. Werden Sie daraus schlau?”
Magnus fühlte sich, als hätte man ihm den Boden unter den Füßen weggezogen. Was sollte er jetzt tun? Er wusste nicht, wo Jenny sich aufhielt. Als Fremder in dieser riesigen Stadt würde es ihm niemals gelingen, sie ausfindig zu machen!
“Würden Sie ihr bitte sagen, dass ich hier war, wenn sie von ihr hören? Mein Namen ist Magnus.”
Erik nickte. “Natürlich – aber, ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass sie sich noch einmal hier blicken lässt. Tut mir wirklich leid.”
Magnus fühlte sich wie betäubt, als er zu seinem Taxi zurückkehrte.
“Zu Ihrem Hotel?”, fragte der Fahrer.
“Nein.” Er schüttelte den Kopf. “Zurück zum Flughafen bitte.”
Hier in London waren seine Chancen, Jenny zu finden, gleich null. So schwer es ihm auch fiel, ohne sie wieder nach Schweden zurückzukehren, Magnus musste es einfach tun. Zu Hause boten sich ihm weitaus mehr Möglichkeiten, nach ihr zu suchen. Falls nötig, würde er ihren gesamten Verwandten- und Freundeskreis abklappern und zur Not auch einen Privatermittler einschalten. Doch eines stand fest: Er würde nicht eher ruhen, bis er Jenny gefunden hatte.
Was dann geschah, ob sie sich für oder gegen ihn entschied, lag nicht mehr in seiner
Weitere Kostenlose Bücher