Dunkler Winter
er ein, hielt Ausschau nach dem Hocker, zog ihn heran und setzte sich.
Er betrachtete mich mit ausdrucksloser Miene. »Naja«, sagte er.
»Naja.«
Er schwieg eine Weile.
»Raol ist außer Lebensgefahr.«
»Das hörte ich.« Hubert und Eumas waren vorher schon da gewesen. Eumas hatte wie ein Mann ausgesehen, der schon mit der Schlinge um den Hals unter dem Galgen gestanden hatte und dann begnadigt worden war.
»So?« Er schien enttäuscht. Ich beobachtete ihn und gab Acht, nicht besorgt auszusehen. Er blickte in der Kammer umher, als ob es ihn interessierte.
»Und du, fühlst du dich besser?«
»Hab mich schon schlechter gefühlt.« Dann gab ich nach. »Mir geht’s gut. Ich mache mir Sorgen um dich.«
Er zog die Brauen hoch. »Um mich? An mir ist kein Kratzer.« Es klang bitter.
Ich verstellte mich nicht. »Er hat dich herumgekriegt. Na und? Er hat uns alle eingewickelt.«
»Mich am schlimmsten. Ich stand da wie ein alter Trot tel, während er sich herausredete. Wenn Eumas nicht ge wesen wäre…« Er starrte auf seine Hände, die er zwi schen den Knien zusammen drückte. »Ich konnte mich nicht bewegen… Ich versuchte es…«
»Er hatte mich auch im Griff. Ich hätte es wissen sollen, seit… ja, seit dem Untoten im Moor. Aber ich glaubte meinem eigenen Verstand nicht. Und er sagte, er hätte deinen Treueid gegen dich gebraucht. Das passt dazu. Worte sind Symbole, und Symbole haben Macht. Du sagtest es selbst. Sie haben die Macht, die du ihnen gibst. Wäre es dir lieber, wenn dein Eid keine Macht über dich hätte?«
Silvus wischte meine Worte wie lästige Fliegen beiseite. »Es geht nicht allein um meinen Eid. Er benutzte meine Bitterkeit, meinen Ehrgeiz, den Niedergang meines Hau ses. Er zeigte mir, was sein könnte: unsere triumphale Rückkehr mit einer mächtigen Armee, die Nathan und seine Emporkömmlinge aus dem Land fegen könnte. Den Wiederaufstieg des Hauses de Castro…« Er brach ab. Ich sah, wie sein Gesicht arbeitete.
Ich schüttelte den Kopf und blickte weg. »Er benutzte all unsere Schwächen«, sagte ich. »Meine Geringschätzung der Aristokratie, zum Beispiel. Ich konnte nie an seine Macht glauben, nicht mal, als er sie selbst zu erken nen gab.«
»Du meinst die Untoten im Moor?«
In meiner Phantasie hörte ich wieder die schmatzenden Tritte in der Nacht und mich schauderte. »Ja. Und die an deren Gelegenheiten, bei denen er sein Talent gebrauchte. Es musste jemand in unserer Gruppe sein. Jedes Mal, wenn wir an eine Quelle von Mana kamen, schien etwas zu ge schehen, was in einem unmittelbaren Verhältnis zur Macht der Quelle stand. In den Bergen sagtest du selbst, dass in der Nähe von Mana Gebrauch gemacht wurde. Als wir zur Sperrfeste kamen, war mir klar geworden, dass unser Zauberer nicht in Ctersi war. Er reiste mit uns. Und er hatte es hauptsächlich auf dich abgesehen. Du warst die Bedrohung. Du konntest andere vor ihm warnen.«
»Ja.«
»Und als ich dachte, Ruane sei getötet worden, hielt ich Raol für den Täter«, sagte ich. »Aber dann…«
»Eine merkwürdige Handlungsweise für einen Meister der Schwarzen Magie.«
»Ja. Mir kam es auch so vor. Aber ich konnte nicht alles sehen. Jetzt kann ich es. Der Zauberer war unter uns, das wurde mir zusehendes klarer. Aber mein Denken war auf das Dunkel fixiert, und das Dunkel war nicht das Einzige, womit wir es zu tun hatten. Also stellte ich mir nicht die offensichtliche Frage: Wer hatte das Geld und die Macht, um die Sandasti und die Banditen auf uns anzusetzen und de Lacy anzustiften, dass er mich herausforderte – obwohl es ihm lieber gewesen wäre, wenn du es gewesen wärst.«
»Unser vormaliger Herr und Meister, Graf Ruane von Tenabra.«
»Kein anderer. Ich bemerkte nicht einmal seine Bestür zung, als er erkannte, wessen Schuld es war, dass die Banditen dich nicht getötet hatten. Er hatte sie nur mit leichten Armbrüsten ohne Kurbeln ausgerüstet, weil ihm der Unterschied nicht bewusst gewesen war. Trotzdem, warum hörte ich nicht auf Eumas, als diese Kadaver bei Nacht über uns herfielen?«
»Auf Eumas?«
»Ja. Er sagte, vier von uns hätten gegen denjenigen ge standen, der seinen Knappen getötet hatte. Du, er, der Junge und Hubert. Die Söldner nährten das Feuer – ich sah es auflodern, während ich kämpfte. Schwester Win terridge machte Gebrauch von ihrem flüssigen Feuer. Raol schoss mit Pfeilen auf die Untoten – ich sah ihn. Wer bleibt übrig?«
Er sah mich überrascht an. »Das hätte ich mich auch
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