Dunkler Winter
Boden riefen uns, und hier, auf der Straße zwischen den ausge brannten und eingeebneten Ruinen, schimmerte brünier ter Stahl. Es war ein weggeworfener Visierhelm, kunstvoll geriefelt. Nun wusste ich Bescheid.
Und hier war er. Er konnte uns nicht davonlaufen, nicht einmal, wenn er von seiner Wache gestützt und halb getragen wurde. Sie warfen sich auf uns, wurden aber mit Hellebarden und Lanzen aufgefangen. Und als wir den ersten und gefährlichsten Ansturm zurückgeschlagen hatten, schlugen wir Tenabrer uns den Weg aus dem Getüm mel frei, um ihm zu folgen, ihn zur Strecke zu bringen. Dies war Recht. In einer Weise hatten wir es die ganze Zeit gespürt. Wir waren für die Geschichte so notwendig wie er. Er war unser. Graf Ruane von Tenabra.
KAPITEL 15
Fünfzig Schritte weiter, und wir hatten ihn. Er blutete, wie wir wussten. Obwohl sein Bein von der Rüstung gehalten wurde, hielt er es in einem falschen Winkel und stützte sich auf ein Schwert. Er wandte sich und sah uns und winkte seine letzten Wachen zu uns. Hubert und Eumas stellten sich einem Paar, Schwes ter Winterridge und ich dem anderen. Wir umkreisten einander, die Kobolde schnell wie Eidechsen, aber leicht gepanzert, ich langsam und müde und des Tötens überdrüssig. Aber weitere kamen hinzu, die er herbeirief, und keine von uns wusste, wie viele sich noch hier draußen aufhielten. Wenn wir der Sache nicht rasch ein Ende machten, würden sie uns schließlich zermürben.
Silvus ließ sich nicht aufhalten. Er stieß einen Kobold beiseite, rannte einem anderen das Schwert durch den Leib. Dann riss er es hoch, und Ruane wandte sich ihm zu, bleich, den Blick zum Schwert erhoben wie ein Hei liger. Es war das Ende, dachte ich. Silvus starrte ihm in die Augen, und sein Gesicht kniff die Augen zusammen und runzelte die Stirn.
Das Schwert hing zum Zuschlagen bereit in der erhobe nen Faust, kam aber nicht herab.
Ruane lächelte matt. »Sie fühlen es auch«, flüsterte er.
Silvus’ Arm spannte die Muskeln. Die Klinge zitterte.
Ruane beachtete sie nicht. »Die Kraft. Die Notwendigkeit. Ich schätzte Sie von Anfang an richtig ein, Silvus de Castro aus altem Geschlecht. Sie hatten immer schon die Gabe. Sie können die Kraft haben. Sie brauchen nur da nach zu greifen…«
Das Schwert schwebte über Silvus’ Kopf. Einen Augen blick schienen wir in einer Blase unmöglichen Friedens abgeschlossen gegen diesen schmutzigen, nach Brand und Tod riechenden Ort. Dann brach eine Horde von Kobolden über uns herein und der magische Augenblick zerbrach. Ich steckte einen Hieb auf den Helm ein, stieß meinem Gegner aber das Schwert durch den Leib und fuhr herum, um einen anderen abzuwehren. Silvus hatte sich nicht bewegt, obwohl sich jetzt Feinde zwischen uns befanden.
»Sie fühlen es auch, de Castro. Sie können die Kraft haben, wie ich oder wie der andere. Sie brauchen nur danach zu greifen. Tun Sie es… Ich kann Ihnen zeigen, wie…«
Das Schwert sank herab. Schweißperlen rollten Silvus über das rauchgeschwärzte Gesicht. Wütend schüttelte er den Kopf. Seine Hand hob das Schwert ein zweites Mal.
Ruane lächelte wieder, zuversichtlicher jetzt. »Ach, Sie wollen es nicht annehmen. Aber gleichwohl haben Sie mir den Treueid geschworen, de Castro. Er gibt mir Macht über Sie. Für Sie hat ein Eid Gewicht, und ich kann dieses Gewicht brauchen… Sie können mich nicht er schlagen.«
Silvus verzog das Gesicht. Ein starres Grinsen zog die Lippen von den zusammengebissenen Zähnen zurück. Dann erschlafften seine Züge. Das Schwert zitterte in sei ner Hand, sank herab.
»Nein«, sagte Ruane in beinahe träumerischem Ton. »Nein, Silvus de Castro, Sie können mich nicht töten…«
»Aber ich kann es.«
Raol. Er war uns gefolgt und stand zwanzig Schritte entfernt. Der nordische Akzent war unverwechselbar sei ner, ebenso wie der Bogen, den er bis zum Ohr gespannt hatte. »Zwischen uns gibt es keinen Eid, Ausländer, und ich habe dieses Spiel satt.« Er ließ den Pfeil fliegen, und der Langbogen schwirrte wie eine Harfe. Der Pfeil traf Ruane durch die Halsberge in die Kehle. So unmöglich es schien, er wankte nicht einmal, stand da, während ihm das Blut aus dem Mund floss, und formte Worte ohne Ton. Dann wankte er, aber seine Hände hoben sich zum Pfeil und rissen ihn heraus.
»Sie denken, ich sei so leicht zu töten?« Es war noch seine Stimme, obwohl das Blut schrecklich in seinen Wor ten gurgelte. Er schnitt ein Gesicht.
Weitere Kobolde kamen herbei, andere
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