Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkles Indien

Dunkles Indien

Titel: Dunkles Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudygard Kipling
Vom Netzwerk:
reichten sie aus, die Ordnung aufrechtzuerhalten. Wenn die Regierung es für zeitgemäß erachtete, das Gesetz der Königin vorwärts zu tragen bis Bhamo und zur chinesischen Grenze, dann wurde der Befehl dazu gegeben, und es fanden sich auch immer Männer genug, beseelt von dem Wunsche, ändern voranzugehen zur Hebung und Verbreitung des nationalen Ansehens, die sich den vorstoßenden Truppen anschlossen. Es waren das zumeist Leute, die ein regelrechtes Examen kaum bestanden hätten und auch viel zu selbständig dachten, als daß sie sich für den regulären Bürodienst in den Provinzen geeignet hätten. Wenn später alles soweit war, trat die Regierung mit Vorschriften und Umänderungen dazwischen und drückte Neu-Burma auf das tote Niveau Indiens herab; aber in der kurzen Zwischenzeit brauchte man starke Männer, die nach eigenem Gutdünken die Vorarbeit leisteten.
    Unter diesen Pionieren der Zivilisation befand sich Georgie Porgie, ein, wie alle wußten, die ihn kannten, höchst zielbewußter Mann. Er hatte eine Stellung inne in Ober-Burma, als der Befehl kam, zur Grenze vorzurücken; seine Freunde nannten ihn Georgie Porgie, weil er es liebte, ein burmesisches Lied zu singen, dessen erste Zeile so ähnlich klingt, wie »Georgie Porgie«. Wohl jeder, der einmal in Burma gewesen ist, kennt das Lied; übersetzt heißt es: »Puff, puff, puff, puff, großes Dampfschiff.« Georgie Porgie sang es zum Banjo und seine Zuhörer waren immer entzückt davon und brüllten jedesmal so laut dazu, daß man es bis weit hinein in die Teak-Wälder hören konnte.
    Als er hinauf nach Ober-Burma zog, scherte er sich einen Quark um Gott oder Mitmensch, aber er verstand es, sich Respekt zu verschaffen und die verzwickten Militär-Zivil-Pflichten zu erfüllen, die in jenen Monaten auf jedermanns Haupt ruhten. Er arbeitete im Amt und, wie es gerade kam, brachte er Detachements von fieberdurchschüttelten Soldaten wieder in Ordnung, die, auf der Suche nach fliehenden Dakoits begriffen, durch seine kleine Welt gestolpert kamen. Bisweilen zog er selbst los, um die Dakoits zur Vernunft zu bringen, denn im Gebiet rauchte es an allen Orten, und ehe man es sich versah, konnte die Flamme wieder auflodern. Er liebte derlei kleine Abwechslungen, aber die Dakoits fanden sie wenig ergötzlich. Alle Beamten, die mit ihm in Berührung kamen, reisten mit der festen Überzeugung wieder ab, er sei ein wirklich sehr wertvoller Mensch, und diesem Umstand verdankte er es auch, daß man ihn schalten und walten ließ, wie er es für gut fand.
    Nach ein paar Monaten bekam er seine Einsamkeit satt und sehnte sich nach Ansprache und ein wenig Luxus. Das Bürgerliche Gesetzbuch machte sich in der Gegend vorerst nur schwach fühlbar und die öffentliche Meinung, die noch viel strenger ist, lag erst in weiter Ferne. Damals war es allgemein Sitte, daß ein weißer Mann sich ein Weib aus den Töchtern des Landes wählen durfte gegen entsprechende Bezahlung. Die Ehe war dann zwar nicht so bindend, wie die Nikkah-Zeremonie der Mohammedaner, aber die Gattin war vergnüglich.
    Wenn alle unsere Truppen aus Burma zurück sein werden, wird das Sprichwort in aller Mund kommen: »so gedeihlich wie eine Burmesin« – und dann werden sich die hübschen englischen Damen den Kopf zerbrechen, was der Sinn dieses Satzes in aller Welt wohl bedeuten mag.
    Der Bürgermeister des Dorfes nächst Georgie Porgies Posten besaß eine schöne Tochter, die Georgie Porgie erblickt und sich von weitem in ihn verliebt hatte. Als das Gerücht in Umlauf kam, der Engländer mit der strengen Hand im Blockhaus drüben denke an einen regelrechten Haushalt, machte sich der Bürgermeister auf und erklärte, er sei bereit, seine Tochter gegen eine Abfindung von fünfhundert Rupien Georgie Porgie anzuvertrauen, vorausgesetzt die Verpflichtung, sie in Ehren zu halten, rücksichtsvoll zu behandeln, hübsch zu kleiden und mit Wohlstand zu umgeben, wie es die Landessitte verlangte. Der Handel kam zustande und Georgie Porgie hatte keine Ursache, es zu bereuen.
    Sehr bald zog Behaglichkeit in sein rohgezimmertes Haus ein und alles blitzte vor Sauberkeit; seine bis dahin ungeordneten Ausgaben schrumpften auf die Hälfte zusammen und er selbst wurde verhätschelt und herausgeputzt von seiner neuen Akquisition, die bei Tisch präsidierte, ihm Lieder vorsang, die Madrassi-Diener in Zucht hielt und in jeder Hinsicht ein so süßes, fröhliches, treues und gewinnendes kleines Frauchen war, wie es sich auch der

Weitere Kostenlose Bücher