Bienensterben: Roman (German Edition)
Marnie
Izzy hat mich Marnie genannt, nach ihrer Mutter. Sie ist jetzt tot, also, sie sind beide tot. Nur damit klar ist, woher ich ihn habe, meinen Namen. Meine Mum hatte einen langweiligen Namen, hat überhaupt nicht zu ihr gepasst. Sie hieß Izzy, für Isabel. Sie hätte Charlie heißen sollen. Für mich heißt sie Charlie. Mein Vater hatte einen Schwulennamen, Eugene. Er hat zwar nie gesagt, dass er ihn hasst, aber ich wette, es war so. Alle haben ihn Gene genannt, aber irgendwie hatte er mehr was von einem Frankie oder einem Tommy, vielleicht auch einem Mickey. Meine Freundin Kimberly wird immer Kimbo genannt, sie prügelt sich andauernd und würde ihrem eigenen Schatten eine in die Fresse hauen, wenn sie könnte. Kimbos Name kommt daher, dass mal irgendwer gelästert hat, sie wäre total psycho, und er ist hängen geblieben, wie eine Warnung. »Hier kommt Kimbo, rennt um euer Leben.«
Meine andere Freundin ist Susie. Sie heißt eigentlich Suzanne, und wir haben sie auch lange so genannt, uns war eigentlich nie danach, es abzukürzen, wie man das mit langen Namen so macht, aber als wir elf oder so waren, hat sie gesagt, sie will nicht mehr Suzanne genannt werden, sie will Susie genannt werden. Sie fand, es klingt älter und sexyer, tut es wohl auch. Ihre Oma nennt sie natürlich immer noch Snoozy, demütigender Babyname.
Dann ist da meine Schwester, Helen, die nennen wir Nelly, aber ehrlich gesagt glaub ich, sie weiß gar nicht, dass sie Helen heißt, weil sie schon als Baby immer nur Nelly war. Nell wäre cooler gewesen, aber bei der Geburt sah sie wie Dumbo aus, deshalb passte Nelly perfekt.
Izzy hat gesagt, es war ein Alptraum, meinen Namen auszusuchen; sie wollte irgendwas Besonderes für mich, irgendwas Anspruchsvolles, was die Leute dazu bringt, mich zweimal anzugucken, so als ob sie beim ersten Mal irgendwas übersehen hätten, und deshalb hat sie den Namen von ihrer Mutter genommen. Emma soll auch ein heißer Favorit gewesen sein, und Martha, aber Gene gefiel Emma nicht, er meinte, es ist ein schwacher Name. Sam gefiel ihm auch nicht, weil ihn mal eine Sam abgesägt hat. Er kannte auch eine Siobhan, die ein Bus erwischt hat, als sie eine Zigarettenkippe aus dem Rinnstein aufheben wollte. Gene hätte am liebsten Elise genommen, wegen einem Song von The Cure, aber den fand Izzy unmöglich, sie stand eher auf New Order, und es war wohl auch Elegia im Gespräch.
Izzy hat gesagt, ich wäre winzig gewesen bei der Geburt, ein Frühchen, das schnell auf die Intensivstation musste, und da hab ich neun Wochen unter einer Plastikhaube gelegen und Gene und Izzy haben mich durch das Plexiglas angeguckt. Der sicherste Ort, an dem ich je war. Na jedenfalls, deshalb bin ich Marnie und nicht Eve oder Prudence oder Lucretia. Ich bin Marnie. Zu jung zum Rauchen, zu jung zum Trinken und zu jung zum Ficken, aber wer sollte mich aufhalten?
Die meisten finden Nelly netter als mich, aber nur, weil sie ’ne Macke hat. Sie ist zwölf. Sie mag Cornflakes mit Cola und Kostümdramen. Sie steht auf alte Filme mit Bette Davis und Vivien Leigh. Sie mag Dokus über Tiere und alles, was mit Harry Potter zu tun hat, da ist sie wie eine Besessene. Sie spielt auch Geige, dank Sarah May Pollock, einer Musiklehrerin, die jedes Jahr die Talente aussiebte, indem sie uns zwang, Noten vom Band anzuhören. Ich bin nie für ein Instrument ausgewählt worden, dabei singe ich gern und kann auch die Melodie halten, aber Nelly hat den Violinschlüssel erkannt, den man fürs Klavierspielen braucht, da hat sie aber drauf geschissen, ihr hatte es stattdessen eine Geige mit einer kaputten Saite angetan, die einsam und allein auf einem grauen Resopaltisch lag. Sie spielt natürlich voll gut, und es hat nicht lange gedauert, da hat Miss Pollock gesagt, sie kann die Geige behalten, als Geschenk letztes Jahr zu Weihnachten, so gut ist Nelly oder so gut war Miss Pollock, die unheimlich gern mit ihr zusammengespielt hat. Leider ist Miss Pollock jetzt weg von der Schule, und für sie ist Mr. Charker gekommen, ein Trompeter. Nelly spielt immer noch, wie ein Profi, hat jemand gesagt, und natürlich lässt unsere Schule sie jedes Jahr zu Weihnachten auftreten, hauptsächlich um die Beiräte zu beeindrucken, auch wenn die Schule sie in keiner Weise fördert und niemand Neuen einstellt, der sie unterrichtet. Nicht dass es einen Unterschied machen würde, sie kann auch ohne Begleitung spielen. Kimbo und Susie hören ihr total gern zu, und die Nachbarn auch,
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