Dunkles Licht
bereits eindeutig verbunden, also musste man sich weiter keine Sorgen mehr machen.
»Willkommen in Haus Woodbridge, Ruß«, sagte Maddy, und Ruß sprang hoch und sabberte ihr aufs Kinn. Sie lächelte ihren jüngsten Bruder an – der bereits die sehnige Gestalt, das schwarzeHaar und die überraschend blauen Augen der Familie zeigte. Er hatte keine Ahnung, was sich gerade in seinem Leben verändert hatte; wahrscheinlich würde es ihm noch jahrelang niemand sagen.
Maddy stand auf und ging ins Haus. Sie fand ihren Vater in seinem Kontor, wo er finster ein Kontenjournal durchsah und mit einer Rechenmaschine hantierte. Das Kontor war klein, vollgestopft mit einem Schreibtisch, Regalen, auf denen die Bücher kreuz und quer durcheinanderstanden, sowie zwei Stühlen – und Edgar Woodbridge, der ein großer, stämmiger Mann war. Kein Bücherwurm oder Bürohengst, sondern ein bäuerlicher Herr, mit schweren Gliedmaßen und wettergegerbt. Ihm gehörten fünf große Höfe, ein Jagdrevier sowie die Hälfte der Häuser von Stonebridge, und seine Familie hatte seit Jahrhunderten hier am Ort gelebt. Er sah verärgert auf, und sein Ärger wandelte sich rasch zu Erschrecken, als Maddy die Tür schloss.
»Brat ist draußen mit einem Hund«, sagte sie. »Sein Name ist Ruß … ›Weil er schwarz ist und weil er an mir kleben bleibt‹.«
Junker Woodbridge sah sie einen Moment lang mit offenem Mund an wie ein dummer Bauerntrampel, der einen Brief schreiben sollte. »Bram? Nein. Er ist viel zu jung! Selbst Rollo hat Falco erst mit dreizehn bekommen.«
»Corbin sitzt oben auf dem Dach und sieht zu.«
Ihr Vater schloss die Augen im Gebet. Als er wieder aufsah, lächelte er. »Wir sind gesegnet.« Das Lächeln zeigte Unsicherheit über einen Segen, der nicht nur Gutes bedeutete.
Talent war eine Gabe der Mutter, eine große Gabe, aber heutzutage lag sie auch nahe an einem Fluch. Wahrscheinlich fragten sich beide, ob Bram, genannt Brat, weil er so ein kleiner Flegel war, ein Ersatz für Rollo sein sollte, aber das wollte keiner laut aussprechen. Es war zu früh, um jetzt schon alle Hoffnung fahren zu lassen.
»Ich muss mich zum Essen umziehen«, sagte Maddy.
Später erschien ihr dieser Morgen wie das Ende ihres Glücks.
Kapitel 2
Seine Lordschaft hatte Pater Silas sehr genaue Anweisungen erteilt. Er sollte als Laie reisen und seine Soutane erst kurz vor Erreichen des Hauses Woodbridge überstreifen. Fage hätte das sowieso getan, denn ein Geistlicher sollte in der Öffentlichkeit nicht staubig, windzerzaust oder zu sehr nach Pferd riechend in Erscheinung treten. Allerdings wurde die Reise dadurch gefährlicher. Während nur die allerschlimmsten Wegelagerer einen Diener des Herrn belästigten, würden ihn viele um sein Pferd erleichtern wollen. Angleshire war ein halbwegs gesetzesfürchtiger Teil von Albi, aber »halbwegs« reichte für einen Gefolgsmann des Grafen Uptree von Norcaster nicht aus. Seine Lordschaft wies Fage eine Eskorte von sechs Husaren zu, angeführt von Hauptmann Rasby. Sechs war sowohl schmeichelhaft als auch sündhaft befriedigend.
Seine Lordschaft hatte gleichfalls erwähnt, dass er die gesamte Familie mit größter Wahrscheinlichkeit zur Mittagszeit antreffen würde – eindeutiger Hinweis darauf, dass er nicht zögern solle, sie beim Essen zu stören. Da Stonebridge bloß einen zweistündigen Ritt auf trockenen Straßen entfernt war, ging Rasby davon aus, dass sie Norcaster am Vormittag verlassen würden. Aber Fage hatte noch einige Verwandte dort wohnen, die er aufsuchen musste. Außerdemwar er allzu begierig, um einen ganzen Morgen nägelkauend im Schloss zu vergeuden. Er veranlasste den Hauptmann daher zu einer Sinnesänderung, und sie ritten schon am frühen Morgen los.
Seit seiner Knabenzeit war Stonebridge gewachsen, sogar seitdem er das letzte Mal hindurchgekommen war. Die Regierung hatte die Schnellstraße nördlich von Weypool ausgebaut, vielleicht sogar auf Drängen seiner Lordschaft, zumindest teilweise. Die schnellere Straße hatte diesen Teil Angleshires bis auf einen Tagesritt an die Hauptstadt herangebracht. Selbst ältere Regierungsmitglieder wie seine Lordschaft konnten es sich nun leisten, die Zeit hier zu verbringen, und aufgrund dessen wuchsen und gediehen die Ortschaften. Insbesondere galt das für Stonebridge, wo die Schnellstraße den Spote überquerte.
Fage, der Schuster, hatte zwei weitere Kinder gezeugt, seitdem Silas zuletzt an seinem Geburtsort einen Halt eingelegt
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