Männerfrei: Roman (German Edition)
Prolog
Neun Monate früher
Ich wusste vom ersten Moment an, dass ich auf der Party keinen Spaß haben würde. Alle drehten sich nach uns um, als wir den Raum betraten. Dann wurde Rick freundlich begrüßt und ich ignoriert. Das war vor zwei Stunden, und nun sitze ich hier, in meiner dummen Verkleidung als Bibliothekarin, mutterseelenallein in der Küche und versuche vergeblich, mich zu amüsieren. Aussichtslos.
Von meinen Freunden ist keiner hier, was nicht hilfreich ist. Sie treffen sich heute zum Essen in einem Pub in Westbourne Grove. Ich wünschte, ich hätte mich ihnen angeschlossen. Aber ich muss hier sein. Mein Freund Rick ist hier. Er ist mit dem Gastgeber befreundet. Oder er kennt zumindest jemanden, der den Gastgeber kennt. Oder so ähnlich.
Wo zum Teufel steckt Rick überhaupt? Ich habe ihn schon vor einer Ewigkeit aus den Augen verloren, doch ich möchte keine Klette sein. Vor allem nicht nach gestern Abend. Mensch, die Leute hier sind echt unfreundlich. Vielleicht kapieren sie nicht, dass meine Verkleidung als Brillenschlange witzig sein soll.
Das Motto der Party lautet » Dein Traumberuf als Kind«, und ich bin umgeben von lauter heißen Krankenschwestern und Pink Ladys und Ballerinas und Stewardessen. (Berufe, in denen offenherzige/mädchenhafte Bekleidung nicht erforderlich ist, kamen diesen Frauen scheinbar nicht in den Sinn, damals als Fünfjährige.) Ich hätte als Premierministerin gehen sollen oder so. Aber als Kind wollte ich wirklich Bibliothekarin werden. Die Männer sind als Indiana Jones oder Luke Skywalker oder Ritter oder andere Helden verkleidet.
Um Himmels willen, ich bin achtundzwanzig Jahre alt. Ich kann mit unfreundlichen Menschen umgehen, oder nicht?
Wir befinden uns in einer großen Wohnung auf der Kensington Church Street, und die Bude ist rappelvoll. Normalerweise liebe ich das; viele Menschen, die sich lautstark unterhalten und herumalbern. Ich kenne hier niemanden, also sollte ich einfach auf Smalltalk-Modus umschalten, auf die Leute zugehen und gut gelaunt durch die Party tänzeln, um neue Bekanntschaften zu machen. Das habe ich vorhin bereits versucht, aber niemand schien mich wahrzunehmen oder mir Beachtung zu schenken. Glaube ich. Darum möchte ich es kein zweites Mal versuchen. Wären doch bloß meine Freunde hier.
Ich frage mich, wie lange ich es noch in dieser doofen Küche aushalte und dabei so tue, als würde ich nicht existierende SMS lesen und senden. Das sieht mir ganz und gar nicht ähnlich.
Ich wünschte, ich hätte mich nicht so unvorteilhaft angezogen. Ich trage einen Tweedrock, einen Zwicker und einen Stapel Bücher. Dabei fand ich mein Outfit unheimlich chic und erfinderisch, als ich mich zurechtmachte, doch jetzt komme ich mir grau und verloren vor. Ich könnte nach Hause gehen. Allerdings würde Rick sich dann vielleicht aufregen. Außerdem sind das hier seine Freunde, und ich würde sie wirklich gerne näher kennenlernen. Ich kenne nämlich keinen Einzigen von ihnen.
Im Ernst, wo zum Teufel steckt Rick? Er scheint heute Abend im Stress zu sein. Ich weiß, er hat momentan unheimlich viel um die Ohren. Das hat er mir neulich in einer SMS geschrieben. Aber wahrscheinlich ist es gar nicht schlecht für unsere Beziehung, wenn wir uns seltener sehen. Ich verbringe dann eben die Zeit mit meinen besten Freundinnen, wenn er so beschäftigt ist. Oder sitze alleine in fremden Küchen auf Partys herum, wo alle Gäste ein bisschen seltsam und unfreundlich sind. Das ist doch auch spaßig. Seufz.
» Bist du eine Lehrerin?«, fragt ein Gast, der die Küche betritt. Er ist als Kricketspieler verkleidet. (Wie einfallsreich.)
» Bibliothekarin«, stelle ich richtig und füge in meiner besten Bibliothekarinnenstimme hinzu: » Pst!«
Er runzelt die Stirn, holt sich ein Bier aus dem Kühlschrank und murmelt leise: » Krass…«, bevor er wieder verschwindet.
Sehen Sie?
Ich rufe mir mein Mantra ( » Haltung ist Stärke, Schweigen ist Gelassenheit«) in Erinnerung und zünde mir die nächste Zigarette an.
So, es reicht, ich mache mich jetzt auf die Suche nach Rick. Küche, Wohnzimmer, Esszimmer, Balkon, zweiter Balkon… Fehlanzeige, Fehlanzeige, Fehlanzeige, Fehlanzeige, Fehlanzeige. Nur fremde Gesichter, die sich nach mir umschauen, erkennen, dass ich nicht interessant genug bin, um sich mit mir abzugeben, und sich wieder wegdrehen, um ihre Unterhaltung fortzuführen. Scheiße, was für eine ätzende Party… Oh Mann, was für ein Gedränge. Und so viele Türen.
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