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Durch den Wind

Titel: Durch den Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika Reich
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erdenklichen Richtungen drehen. Sie war bereit. Bald würde es schneien. Sie würde zuerst einen Spaziergang in die Buchhandlung machen, um für Alisons Geburtstag Yasushi Inoues Buch Das Jagdgewehr zu kaufen. Warum sie gerade Alison dieses Buch schenken wollte, die doch so glücklich war mit Victor, wusste sie nicht. Es sollte nicht wie eine Unterstellung aussehen, es sollte keinesfalls so aussehen, als glaubte sie ihr den paradiesischen Einklang nicht, es war nur einfach ein wunderbares Buch, das Alison kennensollte. Außerdem lag die Buchhandlung ungefähr zwanzig Minuten Fußweg von ihr entfernt, und das war doch genau die richtige Entfernung für einen ersten Spaziergang durch die neue Welt.
     
    Dort traf sie Tom.
     
    An diesem Samstag im Dezember trat Tom in einer Buchhandlung in ihr Leben, Das Jagdgewehr in den Händen. Die Buchhändlerin, die sie zu dem Regal geführt hatte, in dem Inoues Buch nicht mehr stand, weil Tom es in den Händen hielt, lächelte und sagte: »Einigen Sie sich, lesen Sie es gemeinsam, oder ich bestelle Ihnen noch eins.«
    Tom schaute die Buchhändlerin mit seinen hellgrauen Augen und einem tiefliegenden Lächeln eine Weile schweigend an, dann antwortete er: »In diesem Buch geht es um Lebenslügen, die Liebe und den Tod – und wir sollen uns einigen?«
    Die Buchhändlerin lachte, hob die Schultern und schaute Friederike an.
    Dann sagte Tom, immer noch mit Blick auf die Buchhändlerin: »Versprechen Sie mir, keine Bestellungen für dieses Buch entgegenzunehmen?«
    Endlich schaute er Friederike an. Friederike blieb stehen und sagte nichts. Sie, die solche Situationen so häufig mit einem Spruch auflöste, sagte nichts. Gar nichts. Sie blieb einfach nur stehen. Vielleicht ging es nicht nur darum, sich vom Weg abbringen zu lassen, sondern auch darum, den Fuß vom Gaspedal zu nehmen und hier, genau hier stehenzubleiben und keinen Spruch zwischen sich und den dunkelhaarigen Mann mit den hellgrauen Augen zu stellen, sondern einfach nur zu bleiben und seinen Blick zu erwidern.
    Tom drehte das Buch um und schaute auf die Rückseite.
    »Wie geht es Dir?« fragte Friederike leise. Der erste Satz des Zitats auf der Rückseite.
    Tom schaute wieder auf und antwortete: »Ob, wenn ich näherträte, die hohe Stille um Dich plötzlich zusammenbricht?« Der zweite Satz auf dem Buchrücken.
    Und die Frage klang so dringend und zart zugleich, dass sie sich mit der Hand am Regal festhielt. Und als Toms Blick der Bewegung ihrer Hand folgte, ließ sie das Regal wieder los und das Steuer, und ihr Fuß drückte nicht aufs Gaspedal, sondern blieb genau dort stehen, wo er war. Und dann gab Tom ihr seine Hand, und so gingen sie zur Kasse, kauften das Buch (die Buchhändlerin war vom Himmel geschickt und ließ sich nichts anmerken), und als sie auf die Straße traten, schneite es. Und Tom ging ganz dicht neben ihr, so dass dieselben Schneeflocken sie berührten und zwischen ihnen hin- und herschwebten, bis sie durch die Schneeflockenwege in aller Leichtigkeit aneinandergenäht waren. Und sie unterhielten sich über die anderen Bücher von Inoue, den neuen Schokoladenladen, an dem sie vorbeikamen, und über tropische Pflanzen. Und wenn nicht irgendwann das Leben dazwischengekommen wäre, dann hätten sie sich einfach weiter unterhalten – bis sie alt und runzelig geworden wären. Nur die zentrale Frage des Jagdgewehrs, das an Toms Handgelenk in einer kleinen Tüte baumelte, stellten sie einander nicht: Lieben oder geliebt werden?
     
    Sie gingen durch den Schnee, tranken einen heißen Kakao und aßen Maronen. Und als es dunkel wurde, gingen sie nach Hause und liebten sich, bis der Schnee auf den Dächern der Autos liegen blieb und der Hausmeister mit einer schweren Schaufel einen Weg durch den Hof freilegte.
     
    Als Friederike irgendwann aufstand, um etwas zu trinken zu holen, sagte er leise vor sich hin: »Wenn jemals wieder, dann jetzt.« Und sie drehte sich nicht um, sondern folgte diesem Satz, bis er dorthin gesunken war, wo sie ihn nie wieder würde heben können.
     
    Jetzt, dachte sie in der Küche und stützte ihr Gesicht in ihre Hände, jetzt.
     
    Als sie zurück ins Schlafzimmer kam, hielt Tom ihren Blick. Sie gab ihm ein Glas Wasser, und er trank es langsam, Schluck für Schluck, und schaute sie dabei an, und als er den letzten Tropfen getrunken hatte, stellte er es zur Seite, zog sie zu sich heran, und sie liebten sich noch einmal. Dann stand er auf, nahm sie an der Hand und wusch sie im Bad, bis

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