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Durch Zeit und Raum

Durch Zeit und Raum

Titel: Durch Zeit und Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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letztlich auch auf die Mitochondrien aus…«
    »… und das wiederum«, schloß Meg, »kann zur Folge haben, daß wir an Energieverlust zugrunde gehen. Du weißt, daß Charles Wallace damals beinahe gestorben wäre, und nicht nur er…«
    »Weiter!« drängte Sandy.
    »Wenn wir also unseren Planeten zerstören, hat das bestimmt irgendwelche Folgen für unser Sonnensystem; und daraus wieder könnten Folgewirkungen auf unsere Milchstraße entstehen; und diese ihrerseits…«
    »… die alte Theorie von der Kettenreaktion?« fragte Sandy.
    »Mehr als das. Gegenseitige Abhängigkeit und Verflechtung. Es führt ja nicht nur das eine in gerader Linie zum anderen. Alles steht immer und überall mit allem in Beziehung.«
    Dennys warf die nassen Papiertaschentücher weg, breitete eine saubere Serviette über den Fleck im Tischtuch und füllte Frau O’Keefes Glas nach. Obwohl die Läden geschlossen waren, ließ ein Luftzug die Gardinen wehen und blies kalt ins Zimmer. Schwere Regentropfen prasselten in den Kamin und verzischten in den Flammen.
    »Trotzdem glaube ich, daß du die Bedeutung unserer Erde überschätzt«, sagte Dennys. »Wir haben eben alles vermasselt. Vielleicht ist es am besten, wir gehen ex und hopp.«
    »Dennys!« rief Meg vorwurfsvoll. »Du bist Arzt!«
    »Noch nicht!« warf Sandy ein.
    »Aber bald. Und als Arzt solltest du das Leben schützen und verteidigen.«
    »War ja nicht so gemeint, Schwesterherz«, versuchte er abzuschwächen.
    »Wer Angst hat, pfeift im Dunkeln«, sagte Sandy. Er füllte sich Reis und Soße nach und hielt dann seiner Schwester das erhobene Glas entgegen. »Wenigstens gehen wir nicht mit leerem Magen unter.«
    »Das heißt: ich hab’s natürlich so gemeint – und doch wieder nicht«, grübelte Dennys weiter. »Ich glaube, wir menschlichen Knirpse haben die Prioritäten falsch gewählt. Wir haben vergessen, was erhaltenswert ist und was nicht; sonst wären wir ja nicht in diese Zwickmühle geraten.«
    »So gemeint. Nicht so gemeint.« Frau O’Keefe grunzte. »Was ihr immer habt! Schwätzer! Ja, auch du!« Und wieder zeigte sie auf Charles Wallace, diesmal allerdings, ohne ihr Glas umzustoßen.
    Sandy blickte über den Tisch zu Charles Wallace, der bleich und kindlicher als sonst aussah. »Du ißt ja kaum etwas; und du redest kein Wort!«
    »Ich höre zu«, erwiderte Charles Wallace, wandte sich dabei aber nicht an Sandy, sondern an seine Schwester.
    Sie spitzte vergeblich die Ohren. »Was hörst du?« fragte sie.
    Er schüttelte so unmerklich den Kopf, daß nur sie es bemerkte und auf weitere Fragen verzichtete.
    » In der Stunde, die alles entscheiden kann, ruf ich die Himmel um Beistand an! «Frau O’Keefe wies einmal mehr auf Charles Wallace – und stieß dabei einmal mehr ihr Glas um. Diesmal nahm sich keiner mehr die Mühe, den Fleck zu beseitigen. »Meine Großmutter. Aus Irland. Hat mir’s beigebracht. Gab was drauf. Ruf ich die Mächte des Himmels an… « Ihre Stimme versickerte in Grunzen.
    Frau O’Keefe wurde von ihren Kindern »Mom« gerufen. Das klang nur bei Calvin nicht abschätzig. Meg war es bisher immer schwergefallen, ihre Schwiegermutter direkt anzusprechen. Jetzt aber schob sie den Stuhl zurück, kniete sich vor sie hin und sagte leise: »Mom, was hat dich deine Großmutter gelehrt?«
    »Gab was drauf. Wider die Mächte der Finsternis .«
    »Wie lautet der Spruch?«
    Frau O’Keefe verfiel in einen seltsamen Singsang:
    *
    » … ruf ich die Mächte des Himmels an.
    Ich rufe die Sonne in gleißendem Bland,
    ich rufe den sanftweißen Schnee überm Land.
    Ich rufe das Feuer in lodernder Helle… «
    *
    In diesem Augenblick war es, als hätte jemand einen Eimer voll Wasser in den Kamin gegossen. Die Flammen begannen wild zu zucken, und eine Dampfwolke stob auf.
    » Das Feuer in lodernder Helle «, wiederholte Charles Wallace mit Bestimmtheit.
    Die Scheite prasselten, aber die Flammen fingen sich wieder, und das Feuer brannte hell wie zuvor.
    Frau O’Keefe legte ihre gichtige Hand auf Megs Schulter und krallte sich fest, wie um sich auf diese Weise besser erinnern zu können.
    *
    » … und den – und den Blitz in zorniger Schnelle,
    und die – Winde auf all ihren Wegen… «
    *
    Wie aufs Stichwort ließ ein heftiger Windstoß das ganze Haus wanken. Frau O’Keefe verstärkte den Druck auf Megs Schulter, bis sie ihn kaum noch ertragen konnte.
    *
    » …und der Meere tiefe Gründe,
    und der Felsen steile Schrunde,
    und der Erde Stärke und Segen…

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