Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2)

Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2)

Titel: Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
John  le Carré
     
    Ein Mord erster Klasse
     
    Deutsch von Hans Bütow
     
    Titel der
Originalausgabe: A MURDER OF QUALITY
     
     
    Es gibt wahrscheinlich ein Dutzend großer Schulen, von denen man mit
Überzeugung versichern wird, daß nur sie für Carne als Vorbild gedient hatten.
Aber wer in ihnen nach den D'Arcys, Fieldings und Hechts Ausschau halt, wird
vergeblich suchen.
    JOHN LE CARRE
     
     
    SCHWARZE KERZEN
     
    Die
Bedeutung von Carne School führt man allgemein auf Eduard VI. zurück, und
dessen pädagogischer Eifer wird von der Geschichtsschreibung eigentlich dem
Herzog von Somerset zugeschrieben. Aber Carne zieht das Ansehen des Monarchen
der fragwürdigen Politik seines Beraters vor und gewinnt Kraft aus der
Überzeugung, daß große Schulen, wie Tudor-Könige, im Himmel geweiht wurden.
    Seine
Größe ist tatsächlich fast so etwas wie ein Wunder. Von obskuren Mönchen
gegründet, von einem kränklichen Kinder-König dotiert, von einem
Viktorianischen Tyrannen der Vergessenheit entrissen, hatte Carne seinen
Kragen zurechtgerückt, seine bäuerlichen Hände und Gesichtszüge geschrubbt und
sich den Höfen des zwanzigsten Jahrhunderts im vollen Glanz präsentiert. Und im
Handumdrehen wurde der Bauerntölpel aus Dorset der Liebling Londons: Dick
Whittington war arriviert. Carne besaß Urkunden in lateinischer Sprache, Siegel
in Wachs und Pfründe hinter der Abtei. Carne hatte Landbesitz, Kreuzgänge und
den Holzwurm, einen Auspeitschblock und eine Zeile im Doomsday Book* [ Reichsgrundbuch Englands (1085/86)] - was brauchte es also mehr, die Söhne der Reichen zu
unterrichten?
    Und sie
kamen; jedes Semester kamen sie (denn Trimester sind nicht nobel), so daß die
Züge einen ganzen Nachmittag lang traurige Gruppen von schwarzröckigen Jungen
auf den Stationsbahnsteig entluden. Sie kamen in großen Autos, die von düsterer
Sauberkeit glänzten. Sie kamen, um den armen König Eduard zu begraben,
Handkarren durch die kopfsteingepflasterten Straßen zerrend, oder mit Proviantschachteln
wie kleinen Särgen. Einige trugen Talare und sahen darin beim Gehen wie Krähen
aus oder wie schwarze Engel, die zum Begräbnis gekommen sind. Manche folgten
einzeln wie Statisten bei einer Beerdigung nach, und man konnte das Klippklapp
ihrer Stiefel beim Gehen hören. In Carne waren sie immer in Trauer; die kleinen
Jungen, weil sie bleiben, und die großen, weil sie abgehen mußten, die Lehrer,
weil Trauer respektabel war, und die Ehefrauen, weil Respektabilität
unterbezahlt war; und jetzt, da das Fastensemester (wie das Ostertrimester
genannt wurde) zu Ende ging, hatte sich wie eh und je die Wolke der Düsternis
entschlossen über die grauen Türme von Carne gesenkt.
     
    Düsternis
und die Kälte. Die Kälte war beißend und scharf wie Feuerstein. Sie schnitt in
die Gesichter der Jungen, als sie sich nach dem Schulmatch langsam von den
verlassenen Sportplätzen entfernten. Sie durchdrang ihre schwarzen Überzieher
und verwandelte ihre steifen, spitzigen Kragen zu eisigen Halsreifen.
Verfroren trotteten sie vom Platz zu der langen, ummauerten Straße, die zum
größten Süßwarenladen der Stadt führte; die Reihe verringerte sich allmählich
zu Gruppen, die Gruppen verringerten sich zu Paaren.
    Zwei
Jungen, die noch verfrorener aussahen als die übrigen, überquerten die Straße
und gingen einen schmalen Pfad entlang, der zu einem entfernten, aber weniger
überlaufenen Süßwarenladen führte.
    »Ich
sterbe, wenn ich noch einmal bei einem von diesen biestigen Rugbyspielen
zusehen muß. Der Krach ist ja fantastisch!« sagte der eine. Er war groß, blond
und hieß Caley.
    »Die
schreien nur deswegen, weil die Pauker vom Pavillon aus zusehen«, erwiderte der
andere; »deswegen muß jedes Internat zusammenhalten. Damit die Hauspauker
damit angeben können, wie laut ihre Internate schreien.«
    »Was sagst
du zu Rode?« fragte Caley. »Warum steht er bei uns und animiert uns zum
Schreien? Er ist doch kein Hauspauker, nur 'n verdammter Hilfslehrer.«
    »Der
schmeißt sich doch die ganze Zeit bei den Hauspaukern ran. Du kannst ihn auf
dem Hof sehen, wie er zwischen den Unterrichtsstunden um die hohen Tiere
herumschwirrt. Alle jüngeren Lehrer tun das.« Caleys Gefährte war ein zynischer
Rotschopf namens Perkins, Präfekt von Fieldings Haus.
    »Ich bin
bei Rode zum Tee gewesen«, sagte Caley.
    »Rode ist
die Hölle. Trägt braune Schuhe. Wie war denn der Tee?«
    »Trüb.
Komisch, wie Tee sie bloßstellt. Mrs. Rode ist aber ganz

Weitere Kostenlose Bücher