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Durcheinandertal

Durcheinandertal

Titel: Durcheinandertal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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nickte. »Lässig«, sagte Elsi. Darauf schwiegen sie. Eine Dohle 101
    kreiste heran und wieder fort. Sie fragte, ob er viele Menschen erschossen habe, und als er wieder nickte, sagte sie: »Echt geil.« Die Sonne ging unter. Trocken, sagte er, alles sei trocken im Durcheinandertal. Da dürfe man kein Feuer anmachen, sagte sie. Vielleicht doch, meinte er. Die Dohle kreiste wieder heran, kreiste wieder hinweg. Er fragte, ob er ihren Vater sprechen könne. »Denk wohl«, antwortete sie. Sie trank aus der Quelle, und dann gingen sie die Schlucht hinauf zum Dorf. Der Weihnachtsbaum war geschmückt, als sie die Wohnstube betraten. Wen sie da mitbringe, fragte der Gemeindepräsident mißtrauisch. Das sei Jimmy, sagte Elsi, er wolle sich entschuldigen wegen der verschütteten Milch. Der Gemeindepräsident begriff nicht. Jimmy sei der Mann, der sie vergewaltigt habe, erklärte Elsi. Er komme aus Amerika. Der Gemeindepräsident schluckte, ballte die Fäuste, fluchte:
    »Hurensiech, Sauhung, verdammter.« »Vater«, wies ihn Elsi zurecht. Marihuana-Joe gab zurück: »Stierengrind, Schaf-seckel, verfluchter.« »Jimmy!« zischte ihn Elsi an, und dann stampfte sie auf den Boden, sie sollten nicht so blöd tun. »Das cheibe Meitschi«, sagte der Gemeindepräsident resigniert.
    »Elsi ma di de, u mi ma si de o«, lachte Marihuana-Joe. Der Gemeindepräsident starrte ihn verwundert an, warum er ihre Sprache rede. Er sei einer von ihnen, antwortete Marihuana-Joe, dem Pfarrer Pretánder seiner, das Pfarrhaus hätten sie auch verkommen lassen, den ganzen letzten Winter sei er schlotternd nächtelang drin gesessen. Nicht diesen Winter, meinte der Gemeindepräsident, da sei er einmal in Elsis Stube gestiegen. Sie mache einen Kaffee-fertig, sagte Elsi und ging in die Küche. Er habe sich aber gewaltig verändert, wenn er Pfarrer Pretánders Sepp sei, sagte der Gemeindepräsident. Er erinnere sich noch, wie Sepp vor fünfzehn Jahren das Dorf verlassen habe. Er erinnere sich auch, sagte Marihuana-Joe, der Gemeindepräsident sei schon damals ein Glünggi gewesen. Der 102
    Gemeindepräsident kratzte sich im Haar. Er könne ihn beim besten Willen nicht wiedererkennen. Das könne kein Mensch, antwortete Marihuana-Joe. Das mache sein Beruf. »Bist etwas Rechtes?« fragte der Gemeindepräsident. »Ein Killer eben«, sagte Marihuana-Joe trocken, sein Beruf sei, Halunken abzuschießen. Der Gemeindepräsident runzelte die Stirn. Das sei doch kein Beruf. In Amerika schon, sagte Marihuana-Joe.
    Und er verdiene damit? wunderte sich der Gemeindepräsident.
    Und wie, beteuerte Marihuana-Joe. Nur sei da noch etwas: sein Hintern. Er schwieg verlegen. Was er damit meine, fragte der Gemeindepräsident. »Schau halt mal«, sagte Marihuana-Joe und ließ die Hose runter. »Gottfriedstutz«, staunte der Gemeindepräsident, da habe jemand zugebissen, und dann strahlte er, das könne nur Mani gewesen sein. Das sei auch Mani gewesen, sagte Marihuana-Joe und zog die Hose wieder hoch. Aber Mani habe doch Wanzenried gebissen, meinte der Gemeindepräsident verwirrt. Von Kücksens Dobermann, erklärte Marihuana-Joe und erzählte das Ganze: »Dieser Lumpenhund, dieser Vagant, dieser Kunsthändler«, fluchte der Gemeindepräsident, habe ihn hereingelegt und Mani in Verruf gebracht, aber dann stutzte er, wer denn zum Teufel mit Elsi in der Milchglungge –? Jimmy, sagte Marihuana-Joe. Aber er sei ja Jimmy, sagte der Gemeindepräsident. He nun, er sei eben operiert worden, erklärte Marihuana-Joe, zum Glück, als die Regierungsräte gekommen seien, hätten die nicht die Waschküche besichtigt, da sei er in Vollnarkose gelegen, aber wie er dann sein neues Gesicht angeschaut habe, habe er geglaubt, er sei ein anderer, er sei nämlich nicht der, für den Elsi ihn halte, nicht Big-Jimmy, mit dem sie in der Milchglungge gelegen sei, sondern der, den Mani gebissen habe, man nenne ihn Marihuana-Joe, aber weil er für Elsi nun einmal der Jimmy sei, bleibe er für sie der Jimmy, all das beichte er nur, damit der Gemeindepräsident sehe, daß er’s 103
    ernst meine. »Moment mal«, stutzte der Gemeindepräsident, Moment mal, wer sei jetzt in Elsis Kammer gestiegen, er, Marihuana-Joe, oder Big-Jimmy, wenn sie beide gleich aussähen? Das sei doch gleichgültig, sagte Marihuana-Joe, Hauptsache, er könne Elsi heiraten. Hauptsache, er sei ein Pretánder, sagte der Gemeindepräsident. Ob ihn Elsi denn wolle? Wenn alles vorüber sei, frage er sie, sagte Marihuana-Joe, er habe einen

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