Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Durcheinandertal

Durcheinandertal

Titel: Durcheinandertal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
Vom Netzwerk:
Kragen, so daß er gleich zudrücken konnte, ob jemand wisse, daß er, wer er auch sei, hier sei. Er lehre die Armut, und durch die Gnade des Großen Alten sei ihm dieses Haus den Sommer über zur Verfügung gestellt worden, antwortete Moses Melker stockend, mit dem Großen Alten Gott meinend, während Baby Hackmann meinte, Melker meine den Großen Alten, den sagenhaften Boß der Bosse. Moses Melker ging ein Licht auf. Das ›Haus der Armut‹ diente der Society for Morality noch zu etwas anderem als zur Tröstung unglücklicher Reicher, er war mißbraucht worden, die Hände nahe seinem Hals konnten zudrücken, gleichzeitig spürte er eine seltsame Vertrautheit zu jenen, die ihn auf einmal umgaben, finster, entschlossen, zu allem fähig. Es sei doch 99
    besser zuzudrücken, dachte Baby Hackmann und wollte zudrücken, als vom Lift her von Kücksen erschien. Oskar und Edgar begleiteten ihn. Wanzenried hatte die Ankunft Melkers bemerkt, aber hatte nicht einzugreifen gewagt, dafür von Kücksen im Westturm informiert. Willkommen, Herr Melker, sagte der Liechtensteiner und stellte sich vor, Kücksen, Reichsgraf von Kücksen, ließ sein Monokel fallen, fing es mit der linken Hand auf, behauchte es und reinigte es mit dem Ziertuch und überlegte, wie die peinliche Situation am besten zu bereinigen sei. Melker zu beseitigen war zu riskant, wer wußte nicht auch, wo dieser war, andererseits war es vielleicht gerade der Wunsch des Anwaltsbüros Raphael, Raphael und Raphael, Melker verschwinden zu lassen, aber es konnte auch dessen Wunsch sein, ihn, von Kücksen – sacre bleu, die Lage war fatal. Zeit zum Telefonieren war nicht, Wanzenried hätte Melker irgendwie aufhalten sollen, aber nun war er da. Er habe das Kurhaus für die Wintersaison gemietet, sagte von Kücksen und setzte das Monokel wieder ein, alles wundere sich, warum.
    Nun, Moses Melker sei hinter sein Geheimnis gekommen. Er habe das Kurhaus gemietet, um mit seinen Freunden Weihnachten zu feiern. Es wäre für sie alle eine große Ehre, wenn Moses Melker ihnen die Weihnachtspredigt halten könnte. Seine Freunde seien Künstler und Kunstfreunde.
    Verflucht, dachte Baby Hackmann, aber sah ein, daß es die einzige Lösung war. Moses Melker wankte durch die Halle, stieg über ausgestreckte Beine, ließ sich in einen Fauteuil fallen. Es kam ihm vor, als hätte er heimgefunden.
    Am Heiligen Abend kam Jimmy doch. Eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang ging Elsi zur Heilquelle in der Schlucht hinunter. Vom Wald hinter dem Kurhaus hörte sie Fronten rezitieren: »Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen, die 100
    Sonne stand zum Gruße der Planeten, bist alsobald und fort und fort gediehen nach dem Gesetz, wonach du angetreten.«
    Als sie aus der Quelle trinken wollte, die rauchend aus dem Felsen strömte, in ein Rohr eingefaßt, spürte sie jemand hinter sich und stand, sich umwendend, Marihuana-Joe gegenüber.
    »Jimmy«, sagte Elsi.
    Marihuana-Joe stand da und rührte sich nicht.
    »Jetzt bist du doch wieder gekommen«, sagte Elsi.
    Marihuana-Joe schwieg. Er schaute sie an. Seine Augen waren kalt und aufmerksam. Sie schaute ihn an. Er konnte nur Jimmy sein, wenn sie auch das Gefühl hatte, daß es nicht Jimmy sei. Er solle sie in die Arme nehmen, forderte sie ihn auf. Er nahm sie in die Arme. Er solle sie küssen, sagte Elsi. Er küßte sie. Elsi stieß ihn weg, schlug ihm ins Gesicht, er sei nicht Jimmy. Marihuana-Joe lachte, er sei aber Jimmy. Sie wurde unsicher. Wirklich? fragte sie. Wirklich, beteuerte Marihuana-Joe. Sie wisse nicht, sagte Elsi, er habe anders geküßt in der Milchglungge und in ihrem Bett. Wenn er wieder mit ihr in einer Milchglungge liege oder in ihrem Bett, küsse er wieder wie vorher, meinte Marihuana-Joe. Elsi setzte sich auf die Mauer und betrachtete ihn nachdenklich. Jimmy sei er schon, aber als er bei ihr in der Kammer gewesen sei, habe er nicht viel gesprochen, nur seinen Namen gesagt, was soll man auch anderes sprechen dabei, aber nun nehme es sie doch wunder, wer er sei. Ein Gangster, sagte er lächelnd, aber seine Augen blieben immer noch kalt und aufmerksam, doch sie war nun sicher, daß er Jimmy war. Der andere, fragte sie, in dessen Hintern sich Mani verbissen habe? Das sei Marihuana-Joe gewesen, sagte Marihuana-Joe. Auch ein Gangster? fragte sie.
    Auch, meinte er, und wie. »Super«, sagte Elsi, und dann fragte sie, ob viele Gangster im Kurhaus seien. Viele, antwortete er, und Elsi fragte neugierig, alles Gangster aus Amerika? Er

Weitere Kostenlose Bücher