Durchgebrannt - Roman
zwei Stunden Fahrt erreichen wir gegen 16 Uhr endlich den Campingplatz, der direkt hinter den Dünen liegt. Ein großes Wiesenareal unter hohen Kiefern ist für unsere Gruppe reserviert. Drum herum campieren die befreundeten Vereine, mit denen wir uns morgen zum Turnier verabredet haben. Der ganze Platz ist von Fußballern bevölkert. An jeder Ecke sieht man Jugendliche in kleinen Gruppen kicken, manche tragen ihre eigenen Trikots, manche die Fanklamotten der Bundesligavereine. Über allem liegt Musik und der Geruch nach Grillfleisch und Sonnenmilch. So wünsche ich mir mein Leben.
In unserem Zelt werden außer mir und Nils noch Eric, Ferhad und Lennart schlafen; Peter hat ihn uns zugeteilt -- weil ich so unerwartet dazugekommen sei, müssten wir zusammenrücken.
Nils mosert rum, weil er Lennart überhaupt nicht abkann, aber Ferhad und Eric haben ihren Spaß.
»Pump die Luftmatratze auf, Lennart, das ist dein Job.«
»Ey, und was macht ihr?«
»Wir gucken zu, ob du das richtig machst.« Eric schwingt eine Zeltstange in der Luft. »Sklave, hier kommt die Peitsche!«
»Hahaha«, lacht Lennart unsicher.
»Lach nicht«, ruft Ferhad, »sonst schläfst du im Vorzelt zu unseren Füßen, kapiert?!«
»Aber sicher, und wo schläfst du?«
»Bei meiner Freundin.« Ferhad schaut demonstrativ zu den Zelten der Mädchen hinüber. Lea schlägt gerade einen Hering in den sandigen Boden, Michelle und Nathalie falten eine Plane auseinander, Ricarda ist nicht zu sehen. An wen hat er gedacht?
»Du hast doch gehört, Sex ist verboten, genau wie Alkohol.« Eric grinst und fängt an, sich mit Ferhad zu balgen.
»Verboten ist nur, was die Trainer mitkriegen«, sagt Lennart im Versuch, abgebrüht zu klingen. Er muss doch mitgekriegt haben, wie ich auf das Verbot meiner Eltern reagiert habe, und will mich nachmachen. Aber das gelingt ihm nicht, denn er hat inzwischen einen knallroten Kopf vom Treten auf den Blasebalg und lässt bei jedem Tritt auf die Pumpe ein furzähnliches Geräusch ertönen.
Da keiner ihn beachtet, halte ich es auch nicht für wert, mich über ihn aufzuregen. Ich habe Wichtigeres zu tun; ich muss Peter die gefälschte Erklärung unterjubeln. Es scheint der richtige Moment dafür zu sein: Das Zelt der Betreuer wird gerade aufgebaut. Peter hat einen Hammer in der Hand und keine Zeit, sichum Bürokram zu kümmern. Ich könne die Bescheinung auf den großen Tisch legen, sagt er.
Das passt mir sehr gut. Im Gewühl von Werkzeug, Kaffeetassen, Keksen und Listen wird mein Wisch schnell verloren gehen. Wichtig ist ja nur, dass Peter gesehen hat, dass ein Papier existiert.
Nach diesem Schachzug ist meine Laune spitze und wird noch besser, als Ricarda im roten Sommerkleid auf mich zukommt und fragt: »Kommst du auch mit zum Strand?«
Diese Frage ist kaum zu toppen.
Und dass wir in der Gruppe gehen, ist okay. Allein mit ihr wüsste ich vielleicht nicht, was ich sagen sollte. Ich hab sie auch noch nie im Kleid gesehen, sonst trägt sie immer nur Jeans oder Sportsachen. Ganz fremd sieht sie jetzt aus, erwachsener. Aber wollte ich nicht schon achtzehn sein?
»Nehmen wir 'nen Ball mit?«, fragt Eric. »Im Sand kicken ist mal was anderes.«
»Lasst uns erst mal gucken, was hier überhaupt so los ist.« Nils hat die Hände in die Taschen der Shorts geschoben und schlackert mit den Armen hin und her, wie immer, wenn er ungeduldig ist. Zu mir sagt er: »Wenn die noch länger brauchen, kommt uns gleich der Spasti hinterhergekrochen. Wenigstens hat Peter ihm schon gesagt, dass er morgen beim Turnier doch auf der Bank sitzen muss. Du wirst natürlich spielen, Flo.«
Das geht mir runter wie Butter. Vor allem, weil Ricarda es auch hört und sagt: »Florian ist der Beste.«
»Stimmt«, bestätigt Lea unerwartet. »Ich bin zwar nicht so ganz einverstanden mit dem Spiel, das du treibst, aber es ist schön, dass du hier bist.« Sie grinst mich an und ich wundere mich, dass sie so nette Worte für mich übrighat.
Zu sechst machen wir uns auf den Weg, zwischen den Zelten hindurch und den Aufgang zum Strand hinauf. Auf halber Höhe bleibe ich kurz stehen und sehe mich nach Lennart um. Er steht wie ein zurückgelassenes Haustier vor unseren Zelten und sieht uns nach. Früher, wenn wir in den Sommerurlaub gefahren sind als Sarah noch gesund war --, hat sich unsere Katze immer an den Bordstein gesetzt und unserem Auto nachgesehen. Sarah und ich haben ein paar Mal überlegt, wie lange sie wohl dort sitzt. Mit Ausnahme von Fressen und
Weitere Kostenlose Bücher