Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition)
all den Dingen wählen können, an die wir uns zu erinnern glauben, sondern uns auch einfach weigern können, aus ihnen zu wählen. Aber genau das ist es, was ich bin – und ich vermute, dass auch Sie es sind, Sie müssen es sich nur eingestehen. Ich heiße Zoey – Überlebende und Erbin einer toten Welt – und dies sind meine Erinnerungen an einen winzigen Teil meines Lebens.
Kapitel 2
Dies ist mein Tagebuch. Mein Name ist Wade Truman, obwohl ich das lange Zeit gar nicht wusste. Es gibt eine Menge Dinge, die ich auch heute noch nicht so genau weiß. Aus irgendeinem Grund weiß ich, wie man tippt, aber ich scheine nicht so viele Worte zu kennen, wie ich eigentlich sollte, denke ich. Ich versuche immer, neue zu lernen, aber es fällt mir irgendwie schwer, mir Sachen zu merken. Entweder verliere ich die Konzentration oder es passiert irgendetwas, das mich ablenkt. All meine Erinnerungen beginnen vor ein paar Jahren, aber trotzdem bin ich mir sicher, dass es mich auch vorher schon gab, denn in dem Moment, in dem meine Erinnerungen einsetzen, weiß ich schon eine ganze Menge, nur eben nicht so genau, aber all diese unterschiedlichen Ideen und Erinnerungen – wenn es das ist, was sie sind – hängen nicht notwendigerweise zusammen. Es scheint vielmehr so, als erinnerte ich mich an alle möglichen komplizierten Dinge und Worte und hätte dafür einige sehr einfache, grundlegende Dinge vergessen, zum Beispiel, wie man richtig geht. Und wie man spricht.
Ich erinnere mich noch an das erste Mal, als ich zu sprechen versuchte. Tatsächlich ist das beinahe meine früheste Erinnerung, direkt aus der Zeit, als ich erwachte, auf der Straße, auf dem Rücken liegend. Der Beton fühlte sich hart und warm unter meinem Rücken an. Aber innerlich war mir kalt. Ich hatte keine Ahnung, wo ich war. In einiger Entfernung hörte ich Sirenen und Schüsse, und ganz in meiner Nähe dieses tiefe Stöhnen, das von Knurren und Heulen durchbohrt wurde. Ich setzte mich auf. Auf meinem ganzen Körper und überall um mich herum war Blut, und ich war von Menschen umgeben, die ebenfalls alle voller Blut waren. Sie hielten sich ihre roten, blutigen Hände vors Gesicht und schlürften und kauten, während sie mich knurrend anstarrten.
Ich blickte an mir hinunter und sah, dass meine Bauchhöhle aufgerissen war und große Teile meiner Eingeweide verschwunden waren. Es tat aber nicht weh, was mich überraschte, auch wenn ich mir nicht sicher war, wie sich Schmerz eigentlich anfühlte. Ich war einfach nur überrascht, dass ich tatsächlich überhaupt nicht viel spürte, obwohl mit meinem Körper ganz offensichtlich etwas nicht stimmte und ganze Teile davon fehlten. Ich fühlte mich nur ein wenig kalt und steif. Und dann habe ich zum ersten Mal versucht zu sprechen.
Anfangs bewegte sich mein Mund nur lautlos und ich dachte, der Teil von mir, der meine Sprache erzeugt hatte, sei vielleicht auch verschwunden. Ich fühlte nach meiner Kehle, die intakt zu sein schien, außer, dass keine Luft aus ihr strömte, um Laute zu bilden, und so konzentrierte ich mich darauf, ein- und auszuatmen. Ich wollte etwas sagen wie: »Ich bin verletzt«, aber es kam nicht richtig heraus. Es hörte sich überhaupt nicht nach Worten an, nur rau und falsch – nichts als ein heiseres Keuchen. Eigentlich klang es genau wie das Stöhnen, das ich rund um mich hörte.
Obwohl ich nicht verstand, was dieses Stöhnen bedeutete, sprach ich offensichtlich genauso wie alle anderen in meiner Umgebung, und dadurch fühlte ich mich besser, auch wenn ich enttäuscht darüber war, dass ich mich mit niemandem verständigen konnte. Darüber bin ich noch immer traurig – es ist, als fehlte mir etwas viel Wichtigeres als meine Eingeweide oder meine Leber, deren Abwesenheit ich in all den Jahren eigentlich nie wirklich bemerkt habe.
Heute lebe ich in einer Ansammlung von Gebäuden mit einigen der anderen Leute, die genauso sind wie ich. Auch sie können nicht sprechen. Ich muss wohl schon früher sehr gut im Maschineschreiben gewesen sein, denn ich kann es noch immer, auch wenn ich mich nicht daran erinnern kann, wie man spricht. Das Tippen ging mir sofort leicht von der Hand, aber es kommt mir doch noch recht langsam vor, und keiner der anderen hier weiß, wie man liest. Ich schätze, ich muss früher wohl viele Ideen gehabt und über viele Probleme und Fragen Bescheid gewusst haben, denn obwohl ich weder atme noch schlafe noch spreche, habe ich nach wie vor die Fähigkeit, an viele Dinge zu
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