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gelingen, auch nur ein einziges Wort an ihm zu schreiben.“
Ich wusste, dass er splitterfasernackt mit einer anständigen Erektion in seinem Bett saß, den Laptop neben sich.
„Interessant. Und jetzt sagt dir deine plötzliche Eingebung, dass David sich Gedanken über sein Frühstück macht?“
„Ja. Es ist der Tag, nach dem sein Vertrag nicht verlängert wurde. Er fühlt sich wie ein totaler Versager, kastriert. Und als eine Art Gegenwehr sehe ich ihn Eier essen.“
„Na gut. Dann lass ihn Eier essen.“
„Was für welche?“
„Michael, wen zum Teufel interessiert, was David für Eier isst?“
„Was für welche? Soll er pochierte essen oder lieber Rührei?“
„Ich meine mich zu erinnern, ich hätte etwas von Spiegelei mit Speck gesagt.“
„Das war spontan. Ich glaube nicht, dass du lange genug darüber nachgedacht hast.“
„Pochierte.“
„Meinst du echt? Was hältst du von Eiern-Benedict? Dann würde er nämlich diese geile Sauce Hollandaise dazu essen.“
„Es ist mir egal, Michael. Gib ihm Sauce Hollandaise, wenn es dich glücklich macht. Es ist halb fünf.“
„Ist dein Kaffee endlich fertig? Du bist wirklich sehr gereizt heute Morgen.“
„Michael, ich kenne keinen einzigen Lektor, der sich auf diesen Schwachsinn einlassen würde.“
„Sehr richtig. Deswegen fressen dir die Autoren ja auch aus der Hand, und deswegen besitzt Louis O’Connor das erfolgreichste kleine Verlagshaus in den USA.“
Ich lächelte mit einem erwartungsvollen Blick auf Mister Coffee. „Es dauert nicht mehr lange. Bin gleich soweit.“
Ein oder zwei Minuten später setzte ich mich, einen Ozean von West Side Publishings wertvollstem Autor entfernt, an den Küchentisch. Michaels Finger sausten über die Tastatur, und ich stand ihm per Fernleitung zur Seite, während wir die Szene ausarbeiteten. Er hatte seine typische Schreibblockade gehabt. Ich wusste, dass er über das 14. Kapitel nicht hinauskommen würde. Das war bei jedem Buch das gleiche. Irgendwo in der Mitte verließ ihn die Hoffnung. Er gab auf. Er hatte genug von seinem Buch, von seinem Plot, von seinen eigenen Figuren. Und dann arbeitete er eine Weile nicht, bis er eine Erleuchtung hatte – für gewöhnlich mitten in
meiner
Nacht. Er rief mich an, wir redeten, warteten auf den Sonnenaufgang und damit auf die Überwindung seiner Krise, von der ich nach wie vor glaubte, dass sie bloß ein Vorwand war, um mehr von meinen Brustwarzen zu hören.
„Michael“, stöhnte ich zwei Stunden später, „die Sonne geht auf.“
„Beschreib es mir“, flüsterte er.
Ich trat auf den Balkon und sah mir den Ausblick an, der in der Miete der Boca Raton-Apartmentanlage inklusive war. „Nun, der Atlantik ist bemerkenswert ruhig heute Morgen und von wunderschönem Azurblau. Ich sehe eine Möwe, die träge dahingleitet, und einen Pelikan, der seinen Kopf unter Wasser taucht. Die Sonne hat es noch nicht ganz geschafft – der Horizont ist rosa- und purpurfarben, darüber erkennt man noch das Dunkel der Nacht. Der zunehmende Mond teilt sich den Himmel mit der aufgehenden Sonne. Da, jetzt sehe ich sie … mein Gott, es ist überwältigend, Michael.“
Die salzige Brise strich sanft über mein Gesicht.
„Die Sache mit dem Sonnenaufgang erklärst du sehr gut, Cassie.“
„Ich nehme an, ich hätte sie nicht beobachtet, wenn du nicht angerufen hättest, also sollte ich dir wohl danken. Doch das werde ich nicht. Ich gehe jetzt zurück ins Bett.“
„Du hast eine Kanne Kaffee getrunken. Bist du nicht völlig aufgedreht?“
„Nein, Michael. Bin ich nicht. Gute Nacht.“
„Guten Morgen, Cassie. Du bist die Allerbeste. Danke.“
„Auf dass ich deine Stimme das nächste Mal höre, wenn die Sonne ihren Zenit überschritten hat.“
Ich legte auf und fuhr mir mit der Hand durch meine vom Schlaf verwuschelten schwarzen Locken. Dann trottete ich zurück in mein Schlafzimmer, schloss die Jalousien einen Spalt, ließ meinen Kimono fallen und krabbelte wohlig unter die Laken. Ich liebte den Luxus, ein zweites Mal in einer Nacht ins Bett gehen zu können. Erneut nahm ich den Hörer in die Hand und rief unter der Durchwahl 303 im Büro an.
„Lou … ich bin’s. Michael Pearton hatte wieder eine seiner Vor-Sonnenaufgangskrisen. Wir haben bis eben die angemessensten Frühstücksgewohnheiten seines Protagonisten diskutiert. Es ist halb sieben. Ich bin müde. Wenn du Glück hast, komme ich frühestens um zwölf.“
Ich schloss meine Augen und fand, dass ich den Tag im
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