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Ebbe und Glut

Ebbe und Glut

Titel: Ebbe und Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Burkhardt
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kann.«
    »Das muss dir nicht leid tun – im Gegenteil.« Der verletzte, empfindsame Arthur machte Mia viel weniger Angst als der souveräne, aber kalte Held, für den sie ihn lange gehalten hatte. »Es ist alles gut so, wie es ist.«
    Arthur seufzte leise. »Du glaubst hoffentlich nicht, dass es mich wirklich stört, wenn du zuhause nicht wie aus dem Ei gepellt herumläufst.«
    »Tut es das denn nicht?«
    »Nein, überhaupt nicht.« Er lächelte. »Es ist alles gut so, wie es ist.«
    »Musst du eigentlich immer alles nachplappern oder kannst du auch eigene Gedanken formulieren?«
    »Manchmal schon. Aber nicht nach so einem Tag. Da greife ich gerne auf die Talente einer Profitexterin zurück.«
    Sie lachten beide. Es fühlte sich so unfassbar leicht an, wie ein Sommerwind, der Heiterkeit und Vergnügen mitbrachte. Das folgende Schweigen war erfüllt von Wärme und Zuneigung.
    »Kannst du mir verzeihen?«, fragte Arthur und wusste kaum, wofür er sich zuerst entschuldigen sollte, so viele Momente der Verletzungen und Missverständnisse hatte es zwischen ihnen gegeben.
    »Ja. Das habe ich längst getan.«
    Der Sommerwind streichelte ihre Seelen.
    Arthur schaltete das Licht ganz aus. Mia lauschte seinem Atem. Sie war hundemüde und gleichzeitig viel zu aufgewühlt zum Schlafen.
    Arthur ging es ähnlich. Er begann auf einmal an, von seinem Vater zu sprechen. Davon, wie schwer es ihm gefallen war, ihn leiden zu sehen. Und wie sehr er ihn vermisste.
    »Wie wird deine Mutter damit fertig?«, fragte Mia leise.
    »Erstaunlich gut. Obwohl ich nicht weiß, wie sie das macht. Sie hat meinen Vater kennengelernt, als sie zwanzig war. Sie waren ein Leben lang ein Paar.« Seine Stimme klang bedrückt.
    »Deine Mutter wird es schaffen, alleine weiterzuleben«, sagte Mia. »Sie ist eine starke, außergewöhnliche Frau.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Oh, wir sind uns im letzten Sommer auf Spiekeroog begegnet.«
    »Tatsächlich?« Arthur erinnerte sich vage daran, dass Marlit vor langer Zeit so etwas erwähnt hatte. Aber er war damals überhaupt nicht aufnahmefähig für ihre Geschichten gewesen. Der Sommer und der Herbst des vergangenen Jahres hatten gänzlich ohne ihn stattgefunden. Offenbar hatte er dabei einiges verpasst.
    »Ich war sogar in eurem Haus. Es ist wunderschön dort«, fuhr Mia fort.
    »Du warst in unserem Haus? Du liebe Zeit!« Nach einer Pause fuhr Arthur fort. »Es ist wirklich wunderschön dort. Wir haben da so viele Ferien verbracht.«
    Er erzählte von den Familienurlauben, davon, wie sein Vater jeden Tag bei Wind und Wetter im Meer baden gegangen war, und davon, wie Arthur Surfen gelernt hatte.
    Und er sprach von Carol. Er erzählte, dass er im Herbst zum ersten Mal an ihrem Grab in Boston, ihrer Heimatstadt, gewesen war und Abschied genommen hatte. Als Carol beerdigt worden war, lag Arthur schwer verletzt im Krankenhaus. Und als er endlich wieder in der Lage war, zu reisen, fehlte ihm die Kraft, sich seiner Trauer zu stellen. Jetzt holte er all das Versäumte nach.
    Mia hörte ihm zu, und als er weinen musste, hielt sie ihn fest. Diesmal war sein Weinen nicht kontrolliert und beherrscht wie damals im Hotel, sondern hemmungslos. Im Schutz der Dunkelheit und in der Geborgenheit von Mias Umarmung konnte er seinem Schmerz freien Lauf lassen. Mia teilte seine Tränen mit ihm, seine Ängste und seine Sehnsüchte.
    Still lagen sie danach beieinander, berührt von der Liebe, die zwischen all der Trauer ihren Platz fand.
     
    Als Mia aus einem unruhigen Schlaf erwachte, fiel fahles Februarlicht durch die Vorhänge. Lange betrachtete sie Arthur, der noch schlief. Sie konnte nicht fassen, dass sie tatsächlich die Nacht mit ihm verbracht hatte. Und das ganz ohne Sex.
    Eine unendliche Zärtlichkeit erfüllte sie, als Arthur die Augen aufschlug.
    »Du bist ja noch da.« Arthur lächelte verschlafen. Er sah hinreißend aus mit seinen zerzausten Haaren und den müden Augen, in denen noch die Schatten der Nacht hingen.
    »Ja. Aber nur, weil du auch noch da bist.«
    Mia streckte eine Hand nach ihm aus. Er küsste ihre Fingerspitzen.
    »So einfach ist das? Wenn ich dableibe, bleibst du auch?« Arthur seufzte. »Das hätte ich mal eher wissen müssen.«
    Mia beugte sich vor und strich ihm mit der Hand zart über die Wange. Arthur berührte mit seinem Daumen ihren Mundwinkel und fuhr die Konturen ihrer Lippen nach. Sie begriff gar nicht mehr, warum solche kleinen, zarten Gesten zwischen ihnen früher undenkbar gewesen

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