Echt easy, Frau Freitag!: Das Allerneueste aus dem Schulalltag
flüstert sie jetzt.
»Was willst du?«
»Ich will in der Heimat sterben.«
»Wieso willst du da sterben?«, frage ich sie. »Willst du dort auch leben?«
»Nein, also, äh«, stottert sie rum und scheint langsam aus ihrer Verklärung zu erwachen. »Nein, also leben kann ich da nicht.«
»Wieso nicht? Wenn es doch dort so schön ist?«
»Also leben, nein. Das geht nicht. Ich bin doch hier aufgewachsen.«
Ich füge für sie hinzu: »Aber wenn du stirbst, dann möchtest du dort begraben sein, das meinst du, oder?«
»Ja, genau«, sie nickt und grinst zufrieden.
Ich wende mich wieder Hamid zu: »Hamid, könntest du dir vorstellen, in der Türkei zu wohnen?«
»Ja, klar, ist voll schön in unser Dorf.« Er denkt kurz nach. »Nur die Klos, die haben da so Plumpsklos.« Ich erinnere mich, wie ich entsetzt beim Anblick meines ersten Plumpsklos am Mittelmeer meine Mutter rief, um ihr zu sagen, dass jemand die Toilette geklaut hätte. Später, mit schwerem Durchfall in Marokko, lernte ich den hygienischen Aspekt dieser Form der Notdurftverrichtung dann aber richtig schätzen.
»Jaaa, iiih, die gibt es in Libanon auch. Ich bin extra immer ein Kilometer gelaufen zu mein Onkel, damit ich da nicht raufmusste«, schreit Taifun. Auch Lia hat Plumpsklo-Angst. Es stellt sich heraus, dass meine Klasse kollektiv diese Art der Sanitäranlage missbilligt. Pluspunkt für Deutschland und die Erfindung des Porzellanklosetts.
»Aber sonst könnte ich da leben«, informiert uns Hamid in die Klodebatte hinein.
»Aber was würdest du denn dort arbeiten?«, frage ich, denn ich stelle mir natürlich vor, dass es in »unser Dorf« nicht gerade viele Arbeitsplätze gibt. »Ich würde so auf Feld arbeiten oder Kirschen pflücken bei den Nachbarhof. Mache ich mit mein Kusengs im Sommer immer. Wir kriegen 35 Euro am Tag.«
»Soso, 35 Euro«, sage ich und schreibe eine 35 an die Tafel. »Also, wie viel Geld würdest du denn dann im Monat verdienen?« Vincent holt sofort seinen Taschenrechner raus. »35 mal 31 … ist gleich … 1085. Reicht doch«, sagt er zufrieden.
»Mal 31? Willst du sieben Tage die Woche arbeiten«, frage ich und schreibe x 5 hinter die 35 an die Tafel. Es folgt eine lange Diskussion darüber, ob nun die Fünf-Tage-Woche oder die Sechs-Tage-Woche das Übliche sei. Meine Klasse entscheidet sich, dass man eigentlich sechs Tage die Woche arbeiten gehen kann. Irgendwann haben wir einen Eurobetrag an der Tafel stehen.
»Okay, Hamid, guck mal, das verdienst du also im Monat. Was brauchst du denn jetzt zum Leben?«
»Miete!«, ruft Rosa. Wir überlegen gemeinsam, was wohl eine Durchschnittsmiete in »unser Dorf« kostet, und da wir alle keine Ahnung haben, verlagern wir unser Beispiel nach Deutschland. »Okay, also Miete?«
»400 Euro«, sagt Orkan.
»Ja, okay, könnte hinhauen«, sage ich und schreibe 400 unter den Ausgangsbetrag. Gucke zu Vincent. »Von dem oben abziehen, oder?«, fragt er. Ich nicke. Er nennt mir die Summe, die übrig bleibt, ich schreibe sie an die Tafel. Dann ziehen wir weitere Fixkosten für Hamids Singlehaushalt ab: Handy, Strom, Monatskarte. Ich erkläre Warm- und Kaltmiete, Haftpflicht- und Hausratsversicherung, dann ziehen wir 200 Euro fürs Essen ab. Dilay besteht darauf, dass man ja noch die Tabs für die Spülmaschine mit aufschreiben müsse und Waschmittel und Putzzeug. Dafür veranschlagen wir 20 Euro. »Möchtest du rauchen?«, frage ich Hamid. Er schüttelt den Kopf, da er wahrscheinlich selbst sieht, dass er sich das von den 70 Euro, die übrig bleiben, nicht mehr leisten könnte.
»Also, 70 Euro bleiben übrig, davon musst du dir noch Klamotten kaufen. Und wenn du in die Disco oder ins Kino willst, den Eintritt bezahlen. Geschenke für Geburtstage und Reisen sind da auch noch nicht drin.« Alle starren an die Tafel und sind leicht entsetzt. »Okay, Vincent, jetzt zieh mal die ganzen Ausgaben zusammen, dann können wir sehen, wie viel man eigentlich braucht, um bequem zu leben.« Vincent rechnet, wir kommen auf 1200 Euro.
»Geht doch«, sagt Taifun.
»Ja, wenn das netto wäre. Aber wir sind ja Steuerzahler und da kommen erst mal noch die Abzüge.« Ich erkläre Brutto und Netto – das dauert.
Family Portrait nehmen wir nicht mehr durch. Die Stunde endet damit, dass ich versuche meiner Klasse zu erklären, was Inflation ist. Gar nicht so einfach.
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Augen auf bei der Berufswahl, kann ich nur sagen und mir zu meiner exzellenten Entscheidung, Lehrerin zu
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