Echt easy, Frau Freitag!: Das Allerneueste aus dem Schulalltag
unter Lachgas. Sie sollte gar nicht mehr Fräulein Krise heißen – Madame Luxury wäre angebrachter.
Jedenfalls bin ich zu Hause wild entschlossen, mich bei Dr. Müller-Meyer-Wohlfahrt zu melden. Ich finde seine Telefonnummer nicht und suche im Internet nach ihm. Und was steht da? Dr. Müller-Meyer- Wohlfahrt – Zahnarzt aus Leidenschaft .
Zahnarzt aus Leidenschaft – ich kann es gar nicht glauben. Ich möchte auch Visitenkarten: Frau Freitag – Lehrerin aus Leidenschaft. Bei Dr. M-M-W bekommt das Wort Leiden-schaf(f)t ja auch eine ganz neue Bedeutung …
Sofort bin ich wieder Fan vom Doc und rufe gleich an.
»Hallo, Praxis Dr. Müller-Meyer-Wohlfahrt?«
Ich sage meinen Namen, ich buchstabiere meinen Namen – mehrfach –, versuche mein Problem zu erklären und mache schließlich verzweifelt einen Termin für die darauffolgende Woche aus.
Irgendwie scheint niemand von den Beim-Arzt-arbeitenden-Frauen zu wissen, was der Doktor da eigentlich hinter der Milchglastür macht. Ist doch kein Staatsgeheimnis, wie man ein Implantat setzt, oder?
»Sie müssten da schon zu einem Beratungsgespräch zum Herrn Doktor kommen. Er ist aber nur dienstags in der Praxis.«
Ich habe den Termin am nächsten Dienstag. Zahnarzt aus Leidenschaft – aber bitte nur dienstags.
Gomez, Golf, Gurke
»Stopp!«
»Mist, ich habe kein Essen.«
»Okay. Stadt: Hessen!«
Orkan grinst mich an.
»Hessen? Orkan, Hessen ist doch keine Stadt!«
»Echt nicht?«
»Echt nicht.« Ich beuge mich zu seinem Blatt und streiche Hessen durch.
Orkan setzt wieder an: »Dann Land!« Er guckt zu mir und sagt etwas leiser: »Hessen!?« Ich rolle mit den Augen. »Hessen ist auch kein Land!«
»Doch! Bundesland!«, sagt Erhan.
»Nein, Leute. Ein Bundesland ist kein Land.« Zu mehr geographischen Erklärungen fehlt mir die Kraft. »Orkan, mach mal weiter!«
Orkan: »Okay, Automarke: Honda.«
»Hab ich auch«, sag ich und schreibe mir fünf Punkte auf.
»Dann Fußballspieler: Henry.« Orkan grinst mich stolz an.
Ich gucke ihm direkt in die Augen: »Henry, den hab ich auch. Meinst du den von der französischen Nationalmannschaft?« Er nickt. Mist, wieder nur fünf Punkte.
»Was haben Sie bei Essen, Frau Freitag?«, fragt Erhan.
»Hase.«
Orkan grinst. Wahrscheinlich hat er auch Hase.
»Orkan, hast du auch Hase?«
Er schüttelt den Kopf: »Hund.«
»Hund?«
»Die Chinesen.«
Orkan schiebt uns das seltsamste Essen unter: Insekten, Kater, Hund, aber auch Drachenfrucht, als mir nur Döner einfiel.
Stadt, Land, Fluss ohne Fluss mit den Jungs fetzt. Ich sitze mit ihnen in meiner letzten Stunde in meinem Raum fest. Die Mädchen machen Obstsalat in der Koch-AG mit der Erzieherin. Die Jungs und ich reden über das Hells-Angels-Verbot. »Nützt nichts«, sagen sie. Wüste Hells-Angels- und Bandidos-Geschichten, die immer irgendwelche Onkels und Kusengs involvieren, würge ich ab, indem ich mit dem Klassenranking vom letzten Halbjahr wedele.
»Jungs, jetzt wo wir so unter uns sind: Wollt ihr mal wissen, wer letztes Halbjahr das schlechteste Zeugnis hatte?«
»ICH!«, schreit Hamid und tanzt schon mal vorsorglich durch die Tischreihen. Er ist leicht enttäuscht, dass er von der ehemaligen Dauerschwänzerin Chanel geschlagen wurde. Seit Chanels Busenfreundin Marina bei uns in der Klasse ist, hat sie sich echt ins Zeug gelegt. Ich lasse die Schüler die Liste von unten rauf raten, erkläre, was ein Klassendurchschnitt ist und dass nur zwei Jungs über dem Durchschnitt liegen.
»Jungs, guckt euch mal die Liste an: Die Mädchen sind alle hier oben und ihr alle hier unten. Kratzt das nicht an eurem Selbstverständnis?«
Nur Günther scheint sich daran zu stören. Er denkt nach und sagt: »Ist doch komisch. Die Mädchen sollen doch eigentlich sauber machen und kochen, und wir müssten doch die besseren Noten haben.«
»Na, ihr habt ja noch eine Chance, euch zu verbessern.«
»Frau Freitag, A!«
»Stopp!«
»Q.«
»Iih, nein, Q geht nicht. Noch mal. A!«
»Stopp!«
Taifun grinst: »A!«
»Okay«, sage ich, »aber kommt mir nicht mit Afrika oder Amerika als Land. Das sind Kontinente!«
»Aber Antarktis geht, oder?«, fragt Orkan, ohne mit dem Schreiben aufzuhören.
Wie die Zeit verfliegt
Verhängnisvoller Schuljahresendstress macht sich breit, gepaart mit einem erheblichen Abfall an zur Verfügung stehender Zeit. Da kann man schon etwas ins Trudeln kommen. Ich fahre deshalb extra eine Stunde früher in die Schule, um schon mal die
Weitere Kostenlose Bücher