Echte Vampire haben Kurven
EINS
Vampire gibt es überall. Es ist ein Klischee, dass sie grundsätzlich reich und mächtig sind. Mike, der nachts im Laden an der Ecke als Kassierer arbeitet, könnte ein Vampir sein. Oder Brittany, die Bardame, die vor der Sperrstunde den letzen Drink serviert. Sogar der Regaleinräumer im örtlichen Großmarkt.
Flippt jetzt nicht gleich aus, aber es wäre durchaus möglich, dass euch Mike neulich tief in die Augen gesehen und euch dazu bewegt hat, ihm ins Hinterzimmer zu folgen, um sich an euch gütlich zu tun, ehe er euch mit euren Zigaretten und dem Sixpack Bier nach Hause geschickt hat, und ihr wüsstet hinterher von nichts.
Ziemlich coole Sache, oder? Nennt sich der Whammy. Von wegen verräterische Bissspuren – die löschen wir aus, genau wie die Erinnerungen, und damit ist der Fall erledigt. Nur ein ziemlich verkommener Vampir würde seinen »Spender« bis auf den letzten Tropfen aussaugen und sterben lassen. Die meisten von uns haben begriffen, dass wir mehr davon haben, wenn wir diskret vorgehen.
Ganz recht: wir, uns. Ich bin Gloriana Eloisa St. Clair. Glory für meine Freunde. Ihr habt gedacht, alle Vampire wären bleich, abgezehrt und schwermütig? Schön wär’s. Jedenfalls der Teil mit der Abgezehrtheit. So, wie wir zum Zeitpunkt der Verwandlung sind – dick oder dünn, groß oder klein, so bleiben
wir für immer. Mein Pech, dass ich damals ziemlich angesetzt hatte. Ich habe ausgeprägte weibliche Rundungen, okay? Jedenfalls ist das meine positive Darstellung der Fakten. Ich versuche, das Beste daraus zu machen. Ich bin blond, blauäugig, braungebrannt (ein Hoch auf mein teures Bräunungsspray!) und für Unwissende ganz einfach eine »kerngesunde«, modebewusste junge Frau Mitte zwanzig. Wenn die wüssten, dass ich schon mehrere Jahrhunderte auf dem Buckel habe.
Wie es kam, dass ich zum Blutsauger wurde? Um es kurz zu machen: Es steckte ein Kerl dahinter. Ein stattlicher, dunkelhaariger Schotte mit enormem Sexappeal. Sein Name lautete – lautet noch immer – Angus Jeremiah Campbell der Dritte. Seit einer kleinen Auseinandersetzung mit seinem Vater nennt er sich allerdings Jeremy Blade. Seine Wahl, nicht meine. Ich nenne ihn Jerry, wenn wir uns über den Weg laufen. Das hasst er. Jerry und ich sind seit mehreren Jahrhunderten immer wieder mal zusammen, mal getrennt. Zurzeit getrennt.
Kennengelernt haben wir uns in London. Jerry wollte mal sehen, was da so abgeht, ich war Schauspielerin am Globe Theater. Damals wurden die weiblichen Rollen meistens noch von Männern gespielt. Traurig, oder? Jedenfalls hatte ich einen Schauspieler geheiratet und damit Schande über meine Familie gebracht. Nachdem mein Gatte infolge eines ziemlich hässlichen Unfalles mit einem Nachttopf das Zeitliche gesegnet hatte, konnte ich mich mit der einen oder anderen Nebenrolle über Wasser halten, sonst wäre ich garantiert verhungert. Ich war richtig gut, eine echte Schauspielerin, keine dieser Tussen, die sich nur so nennen. Billy Shakespeare fand mich klasse.
Eines Abends kam Jerry dann hinter die Bühne, und der
Rest ist Geschichte. Er raubte mir den Atem. Leidenschaft mit einem großen L. Glaubt mir, ihr wisst erst, was ein richtiger Orgasmus ist, wenn euch dabei ein Mann die Halsschlagader angezapft hat.
Jerry kann unwiderstehlich sein, wenn er will. Ich hab ihn auf Knien angebettelt, mich auch in einen Vampir zu verwandeln, um für immer mit ihm vereint zu sein.
Ich konnte ja nicht ahnen, dass zwar der Mann ewig leben würde, aber unsere Liebe nicht ganz so lange.
Zum Glück haben wir nie geheiratet. Erst wollte er sich nicht binden, und als er mir ein paar Jahrhunderte später gnädigerweise doch noch einen Antrag machte, wurde mir schlagartig klar, dass Together forever in unserem Fall mehr als nur ein kitschiger Popsong war. Auf immer und ewig – mit einem Kerl aus dem sechzehnten Jahrhundert? Nein danke.
Mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass man ja auch die Schwiegereltern bis in alle Ewigkeit an der Backe hat. Die Campbells waren nicht eben begeistert, als ihr Stammhalter ausgerechnet mit einer Schauspielerin aufkreuzte – mit einer englischen obendrein. Gleich zwei dicke, fette Minuspunkte für mich. Und dann lebten wir auch noch in Sünde. Sie wussten nicht recht, ob sie schockiert sein sollten, weil wir nicht den Bund der Ehe geschlossen hatten, oder doch eher erleichtert. Ich konnte seine Familie schließlich für mich gewinnen, aber bis dahin hatte ich die Nase gestrichen voll von ihrer
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