Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)
Mortimer erklärt. Und Penelope hatte stets gefunden, dass ihre Ratschläge es wert waren, befolgt zu werden.
»Hmpf«, erwiderte der Kutscher, trotzdem half er Penelope, neben ihn auf den Kutschbock hochzuklettern. Penelope nahm anerkennend das glänzende Fell der Pferde zur Kenntnis. Ihre Schwäche für Tiere war in Swanburne wohlbekannt – ja, tatsächlich war sie sogar der Grund, warum Miss Mortimer auf die Stellenanzeige überhaupt aufmerksam geworden war. Lag dieser schicksalhafte Tag wirklich erst eine Woche zurück? Wenn Penelope die Augen schloss, konnte sie wieder Miss Mortimers Stimme hören …
»Hört einmal her, Mädchen: ›Gesucht ab sofort: Tatkräftige Gouvernante für drei lebhafte Kinder‹.« Miss Mortimer gesellte sich beim Frühstück oft zu ihren Lieblingsschülerinnen und las dann immer laut aus der Zeitung vor, während die Mädchen ihren Haferbrei mit Milch verschlangen. »›Erforderlich sind Kenntnisse in Französisch, Latein, Geschichte, Etikette, Zeichnen und Musik – Erfahrung im Umgang mit Tieren dringend erwünscht. ‹ Mit Tieren! Habt ihr das gehört? Das ist die perfekte Stelle für dich, Penny, Liebes.« Ihre warme Stimme vibrierte vor Überzeugung, als sie Penelope die herausgerissene Seite der letzten Ausgabe der Zeitung Heathcote Tagblatt – Nachrichten das ganze Jahr (jetzt illustriert) reichte. »Keine Widerrede! Du musst dich dort vorstellen. Ich verfasse umgehend ein Empfehlungsschreiben für dich.«
Jetzt klemmte die besagte Zeitungsseite sorgfältig gefaltet als Lesezeichen – und, wie Penelope hoffte, als Glücksbringer – in ihrem Gedichtband. »Die Kinder müssen wohl sehr an ihren Haustieren hängen«, dachte Penelope bei sich, während die Pferde mit klappernden Hufen die Straße entlangtrappelten, die durch den dichten Wald vom Dorf zum Anwesen des Herrenhauses führte. »Und das bedeutet, dass es wahrscheinlich eine freundliche, lebensfrohe Familie ist und wir alle wunderbar miteinander auskommen sollten.«
Der Gedanke war sehr beruhigend. Beinahe hätte Penelope den Kutscher gefragt, welche Tiere sie in Ashton Place antreffen würde. Sie hoffte inständig, es würde Ponys auf dem Anwesen geben. Insgeheim hatte sie sich ein Pony gewünscht, seit sie ein kleines Mädchen war und die Hü-Hott, Regenbogen!- Bücher in der Bücherei des Swanburne-Instituts entdeckt hatte. Viele glückliche Stunden hatte sie zusammengerollt auf der Fensterbank in Miss Mortimers Büro mit den Abenteuern des Ponys Regenbogen und seiner jungen Besitzerin Edith-Anne Pevington verbracht. Besonders der Band mit dem Titel Seidenhaar stiftet Unfug hinterließ einen bleibenden Eindruck: Darin gelingt es Regenbogen mit sanfter Einflussnahme, das störrische Pony einer benachbarten Farm vor einem grausamen Schicksal zu bewahren. Penelope hatte die Geschichte unzählige Male gelesen.
Aber nach genauerer Betrachtung fand sie es höflicher, sich zunächst einmal nach anderen Dingen zu erkundigen. Sie rückte ihre Haube zurecht und hüllte sich fest in ihren Umhang, um sich vor dem frühherbstlichen Wind zu schützen.
»Sagen Sie, mein Herr: Was für ein Haus ist Ashton Place?«
»Es ist ein sehr herrschaftliches Anwesen, wie Sie bald sehen werden. Die Ashtons leben dort seit vier Generationen.« Der Kutscher hielt inne und spornte die Pferde mit einem Zungenschnalzen an, dann fuhr er fort: »Ich denke, es ist ein Glück, dass ein Haus nicht sprechen kann. Ashton Place hätte ansonsten allerlei Geheimnisse zu erzählen.«
Penelope fand seine bildhafte Sprache kurios, wenn auch eine Spur einfältig, hütete sich aber, das auszusprechen. Stattdessen fragte sie weiter: »Und was für Menschen sind Lord und Lady Ashton? Ich weiß, es handelt sich selbstverständlich um Menschen von tadellosem Charakter.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine achtbare junge Dame wie Sie sonst zu einem Vorstellungsgespräch angereist wäre«, entgegnete er und warf ihr einen verstohlenen Seitenblick zu.
Penelope fragte sich, ob der Mann sich über sie lustig machte, verwarf den Gedanken dann aber als unwahrscheinlich, da sie und der Kutscher sich schließlich gerade erst kennengelernt hatten. Jedenfalls beantwortete er ihre Frage.
»Lady Constance liebt Schokolade und Blumen. Sie ist sehr jung, sehr hübsch und ein wenig verwöhnt, wenn Sie mich fragen.«
»Sie sprechen recht freimütig über Ihre Herrschaften«, merkte Penelope an.
»Ha! Ich habe das Recht, meine Meinung zu sagen. Ich habe
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