Edvard - Mein Leben, meine Geheimnisse
irgendwo auf einer Luftmatratze. (Das ist gar keine Luftmatratze bei Tannenbaum, sondern eine Isomatte!)
Mittwoch, 28.9., 04:03 Uhr
Tannenbaum muss doch gar nicht umziehen!
Es ist alles ganz einfach. Das ist mir irgendwie im Schlaf oder so eingefallen, jedenfalls bin ich vorhin wach geworden und mir war völlig klar, was ich tun muss. Ich habe mich bei Facebook angemeldet (als James) und Constanze geschrieben. Mich dafür bedankt, dass sie sich immer noch so um Jasons Andenken bemüht, vor allem jetzt, wo sie doch einen Freund hat. Dann habe ich auf der Jason-Gedenkseite allen für ihre Anteilnahme gedankt, und sie müssen bitte verstehen, dass die Familie Ruhe wünscht, und dass es nicht wahr ist, was in den Zeitungen steht über das Krankenhaus, und dass es aber jemanden gibt, den Jason sehr verehrt hat und der jetzt in großer Not ist: Prof. Dr. Daniel Tannenbaum, Autor des Astronomie-Klassikers »Sterne«. Ich schrieb: »Mein kleiner Bruder Jason ging nirgendwohin ohne dieses Buch. Als er nach Deutschland ging, hatte er das Glück, den Professor persönlich kennenzulernen. Er half ihm, in Physik vom schlechtesten zum besten Schüler zu werden, und nach der Schule wollte Jason sogar Physik studieren! Nun haben wir von Freunden gehört, dass Prof. Tannenbaum dringend Hilfe braucht.« Hier habe ich einen Link auf den Fernsehbeitrag in der Mediathek des Senders gesetzt. »Wenn ihr also etwas in Jasons Sinne tun wollt, helft diesem Mann. Er braucht dringend dreihunderttausend Euro. Ihr seid mehr als fünfhunderttausend Leute. Spätestens am Freitag benötigt er die Summe.«
Ich drücke auf Enter und schicke den Kommentar ab. Eine Minute später habe ich ein paar Hundert »Gefällt mir«-Klicks. Und die ersten antworten auch schon: »SuperIdee, das machen wir«, und »Endlich können wir etwas für Jason tun« und ähnliches Zeug.
Ich schreibe Constanze eine Nachricht, ob sie es bitte übernehmen kann, ein Spendenkonto für Professor Tannenbaum einzurichten. Ich schreibe ihr Tannenbaums Adresse auf (James kann ja nicht wissen, dass sie die Adresse kennt!), verabschiede mich von ihr, und dann lösche ich James’ Profil.
Jetzt bin ich hellwach.
Und total aufgeregt.
Mittwoch, 28.9., 21:56 Uhr
Tannenbaum ein bisschen beim Packen geholfen, dann über Rote Zwerge gesprochen. Habe keine Ahnung, was Constanze macht. Hätte James doch nicht von Facebook abmelden sollen.
Karli lächelt mich dauernd an, und ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich kann nicht normal mit ihr reden, weil ich ja dauernd daran denken muss, dass ich meine Zunge in ihrem Mund hatte. Und umgekehrt. Das ist schon komisch. Ich weiß gar nicht, wie das sein soll, wenn man eine Freundin hat und das dauernd macht und irgendwo hingehen muss, in die Schule zum Beispiel, und sich nicht im Bad einschließen kann. Ich meine, man kann doch nicht den ganzen Tag mit einem Ständer rumlaufen.
Karli sitzt im Unterricht NEBEN mir!
Ich darf nicht mehr daran denken.
Bin schon ganz wund.
Was Constanze und Henk wohl machen.
…
Okay, das hilft. Wenn ich an Constanze und Henk denke, hat sich das mit dem Ständer erledigt. Ich kann also möglicherweise doch in die Schule gehen, ohne unangenehm aufzufallen.
Donnerstag, 29.9., 07:39 Uhr
Mama hat mir eine Salbe für überreizte Haut hingelegt. Wie hat sie das denn mitbekommen?!
PEIIIIINLICH !!!!!!!!!!!!!!!!
Donnerstag, 29.9., 13:33 Uhr
Alarm! Tannenbaum hat fertig gepackt, sich einen Lkw gemietet und wollte heute schon ausziehen. Ich konnte ihn gerade noch davon abhalten, die Bettlaken abzuhängen.
»Wo wollen Sie denn hin? Sie haben doch noch gar keine neue Wohnung!«, sage ich.
»Ich lagere meine Sachen ein und mache vier Wochen Urlaub an der Ostsee, und in der Zeit überlege ich, wo ich mir eine neue Bleibe suche.«
»Eine neue Bleibe an der Ostsee?« Ich bin fassungslos. Dass jemand außer meinen Eltern freiwillig an die Ostsee fährt!
»Vielleicht auch an der Ostsee. Ich weiß es wirklich noch nicht.«
»Aber … können Sie denn nicht noch einen Tag länger bleiben?« Ich Depp hätte mich nie von Facebook abmelden dürfen. Ich kann jetzt gar nicht mehr nachsehen, was Constanze schreibt. Mist. Vielleicht kriegt sie das Geld gar nicht zusammen?
»Edvard, du schaffst die Schule auch ohne mich, glaub mir. Schau dir Ratte und seine Kumpels an. Die schreiben heute Mathe, und ich wette mit dir, dass sie morgen, wenn sie die Arbeit zurückkriegen, nicht wie sonst mit einer 5 rechnen müssen.«
»Ja,
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