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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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Erich Maria Remarque

    Der schwarze Obelisk
    Geschichte einer verspäteten Jugend

    Mit einem Nachwort von Tilman Westphalen

    Kiepenheuer & Witsch

    © 956, 97, 989 by Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln
Umschlag Manfred Schulz, Köln, nach einer
Konzeption von Hannes Jahn
Gesamtherstellung Clausen & Bosse, Leck
ISBN 3 462 0954 6

    Inhalt

    Der schwarze Obelisk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Nachwort von Tilman Westphalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479

    Scheltet nicht, wenn ich einmal von alten Zeiten rede. Die Welt liegt wieder im fahlen Licht der Apokalypse, der Geruch des Blutes und der Staub der letzten Zerstörung sind noch nicht verflogen, und schon arbeiten Laboratorien und Fabriken aufs neue mit Hochdruck daran, den Frieden zu erhalten durch die Erfindung von Waffen, mit denen man den ganzen Erdball sprengen kann. –
      Den Frieden der Welt! Nie ist mehr darüber geredet und nie weniger dafür getan worden als in unserer Zeit; nie hat es mehr falsche Propheten gegeben, nie mehr Lügen, nie mehr Tod, nie mehr Zerstörung und nie mehr Tränen als in unserm Jahrhundert, dem zwanzigsten, dem des Fortschritts, der Technik, der Zivilisation, der Massenkultur und des Massenmordens. –
      Darum scheltet nicht, wenn ich einmal zurückgehe zu den sagenhafen Jahren, als die Hoffnung noch wie eine Flagge über uns wehte und wir an so verdächtige Dinge glaubten wie Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Toleranz – und auch daran, daß ein Weltkrieg genug Belehrung sein müsse für eine Generation. –

    I

    Die Sonne scheint in das Büro der Grabdenkmalsfirma Heinrich Kroll & Söhne. Es ist April 923, und das Geschäf geht gut. Das Frühjahr hat uns nicht im Stich gelassen, wir verkaufen glänzend und werden arm dadurch, aber was können wir machen – der Tod ist unerbittlich und nicht abzuweisen, und menschliche Trauer verlangt nun einmal nach Monumenten in Sandstein, Marmor und, wenn das Schuldgefühl oder die Erbschaf beträchtlich sind, sogar nach dem kostbaren, schwarzen, schwedischen Granit, allseitig poliert. Herbst und Frühjahr sind die besten Jahreszeiten für die Händler mit den Utensilien der Trauer – dann sterben mehr Menschen als im Sommer und im Winter –; im Herbst, weil die Säfe schwinden, und im Frühjahr, weil sie erwachen und den geschwächten Körper verzehren wie ein zu dicker Docht eine zu dünne Kerze. Das wenigstens behauptet unser rührigster Agent, der Totengräber Liebennann vom Stadtfriedhof, und der muß es wissen; er ist achtzig Jahre alt, hat über zehntausend Leichen eingegraben, sich von seiner Provision an Grabdenkmälern ein Haus am Fluß mit einem Garten und einer Forellenzucht gekauf und ist durch seinen Beruf ein abgeklärter Schnapstrinker geworden. Das einzige, was er haßt, ist das Krematorium der Stadt. Es ist unlautere Konkurrenz. Wir mögen es auch nicht. An Urnen ist nichts zu verdienen.
      Ich sehe auf die Uhr. Es ist kurz vor Mittag, und da heute Sonnabend ist, mache ich Schluß. Ich stülpe den Blechdeckel auf die Schreibmaschine, trage den Vervielfältigungsapparat «Presto» hinter den Vorhang, räume die Steinproben beiseite und nehme die photographischen Abzüge von Kriegerdenkmälern und künstlerischem Grabschmuck aus dem Fixierbad. Ich bin nicht nur Reklamechef, Zeichner und Buchhalter der Firma; ich bin seit einem Jahr auch ihr einziger Büroangestellter und als solcher nicht einmal vom Fach.
      Genießerisch hole ich eine Zigarre aus der Schublade. Es ist eine schwarze Brasil. Der Reisende für die Württembergische Metallwarenfabrik hat sie mir am Morgen gegeben, um hinterher zu versuchen, mir einen Posten Bronzekränze anzudrehen; die Zigarre ist also gut. Ich suche nach Streichhölzern, aber, wie fast immer, sind sie verlegt. Zum Glück brennt ein kleines Feuer im Ofen. Ich rolle einen Zehnmarkschein zusammen, halte ihn in die Glut und zünde mir damit die Zigarre an. Das Feuer im Ofen ist Ende April eigentlich nicht mehr nötig; es ist nur ein Verkaufseinfall meines Arbeitgebers Georg Kroll. Er glaubt, daß Leute in Trauer, die Geld ausgeben müssen, das lieber in einem warmen Zimmer tun, als wenn sie frieren. Trauer sei bereits ein Frieren der Seele, und wenn dazu noch kalte Füße kämen, sei es schwer, einen guten Preis herauszuholen. Wärme taue auf; auch den Geldbeutel. Deshalb ist unser Büro überheizt, und unsere Vertreter haben als obersten Grundsatz eingepaukt bekommen, nie

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