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Egeland, Tom

Titel: Egeland, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frevel
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hat ein Kind zu mir gesagt: Deine Augen sehen so aus, als würde einer mit Blitzlicht fotografieren.
    Mit dem Rücken zum Materialcontainer überblicke ich das Ausgrabungsareal. Die weißen Schnüre des Koordinatensystems formen quadratische Felder, die eines nach dem anderen ausgehoben werden. Ian und Uri stehen hinten am Nivelliergerät und Teodoliten. Sie diskutieren, während sie über das Netz schauen und mit den Armen zu den Achsen des Koordinatensystems zeigen. Einen Moment lang stelle ich mir amüsiert vor, dass wir am falschen Ort graben. Dass der Professor in seine blöde Pfeife bläst und ruft: » Stopp, wir grabe n a m falschen Ort! «, aber an ihren Gesichtern erkenne ich, dass sie lediglich ungeduldig sind.
    Wir sind insgesamt siebenunddreißig Archäologen. Die Assistenten des Professors (Ian, Theodore und Pete von der Universität Oxford, Mosche und David von der Hebräischen Universität Jerusalem und Uri vom Schimmer-Institut) leiten jeweils eine Gruppe von norwegischen Diplomstudenten.
    Ian, Theodore und Pete haben ein fortschrittliches Computerprogramm für archäologische Ausgrabungen entwickelt, das auf Infrarot-Satellitenfotos und Sonarwellen im Boden basiert.
    Mosche hat einen Doktortitel in Theologie und Physik und gehörte auch einer der Gruppen von Fachleuten an, die die Echtheit des Grabtuches von Turin untersucht haben.
    David ist Experte in der Deutung neutestamentlicher Schriften.
    Uri ist auf die Geschichte der Johanniter spezialisiert.
    Ich selbst bin dabei, um aufzupassen.
    2
    FRÜHER HABE ICH jeden Sommer bei Großmutter am Fjord verbracht. Eine Schweizervilla in einem Obstgarten mit Beeren und Blumen, sonnengewärmten Schieferplatten und verwunschenen Büschen, Schmetterlingen, Fliegen und glücklichen Hummeln. Die Luft duftete nach Teer und Tang. In der Mitte des Fjordes tuckerten die Kutter. An der Fjordmündung zwischen Larkollen und den Bolærne-Inseln, die so weit entfernt waren, dass sie fast zu schweben schienen, sah ich einen Streifen endlosen Meeres, und hinter dem Horizont stellte ich mir Amerika vor.
    An der Landstraße zwischen Fuglevik und Moss, einen guten Kilometer vom Sommerhaus entfernt, lag das Kloster Værne mit seinen zweihundert Hektar Acker-und Waldflächen und einer Geschichte, die sich bis in die Zeit von Snorres Königssagen erstreckte. Ende des elften Jahrhunderts machte König Sverre Sigurdsson das Kloster Værne den Johannitermönchen zum Geschenk. Die Johanniter brachten ihrerseits ein Stück Weltgeschichte, einen Hauch Kreuzzüge und eine Prise Ritterlichkeit in unseren abgelegenen Teil der Zivilisation. Erst 1532 war die Zeit der Mönche im Kloster abgelaufen.
    Die Summe der Zufälle formt ein Leben, denn es ist einer der Äcker des Klosters Værne, auf dem die Ausgrabungen von Professor Llyleworth stattfinden.
    Der Professor behauptet, Ziel der Ausgrabungen sei, eine Rundburg aus der Wikingerzeit zu finden. Vielleicht zweihundert Meter im Durchmesser, umgeben von einem kreisrunden Erdwall mit Holzpalisaden. Er hat in einem Wikingergrab in York eine entsprechende Karte gefunden.
    Das ist nicht zu glauben, und ich glaube ihm auch nicht.
    Professor Llyleworth ist auf der Suche nach etwas ganz Bestimmtem. Ich weiß nicht, was. Ein Schatz wäre viel zu banal. Ein Grab mit einem Wikingerschiff? Die Reste des Olavschreins? Oder Münzen aus Khawrezm, dem Fürstentum östlich des Aralsees? Pergamentrollen? Eine silberne Opferschale? Ein magischer Runenstein? Ich kann nur raten. Und meine Aufgabe als Aufpasser mit ganzem Herzen wahrnehmen.
    Der Professor wird über diese Ausgrabung ein weiteres Lehrbuch schreiben. Eine englische Stiftung übernimmt die Finanzierung. Der Grundbesitzer bekommt ein kleines Vermögen dafür, dass wir hier den Acker umpflügen dürfen.
    Es muss ein ganz besonderes Lehrbuch werden.
    Ich habe noch nicht verstanden, wie oder warum Professo r L lyleworth mit seinen archäologischen Sturmtruppen auf norwegischen Boden gelangt ist. Das gleiche alte Spiel. Er hat einflussreiche Freunde.
    Für Ausländer ist es alles andere als leicht, die Genehmigung für archäologische Ausgrabungen in Norwegen zu bekommen. Professor Llyleworth hatte keine Schwierigkeiten. Ganz im Gegenteil. Der Reichsantiquar hatte begeistert in die Hände geklatscht. Die Universität hatte ihre besten Studenten für die Grabungseinheiten abgestellt, und es wurden Arbeitsgenehmi gungen für seine ausländischen Mitarbeiter ausgestellt. Sie tätschelten der

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