Ehrenwort
schon gar nicht.
»Alles in Ordnung?«, rief Petra.
»Hic, baec, hoc, der Lehrer hat 'nen Stock!«, antwortete er und kicherte.
»Geh zurück ins Bett, du holst dir noch den Tod!«, meinte Petra und erschrak selbst über diese Wortwahl.
»Er spinnt wieder«, sagte Jenny leise. »Morgen kann er sich an nichts mehr erinnern.«
Dann fuhren sie los. Wer andern eine Grube gräbt...
»Eigentlich mag ich keine Tiefgaragen«, sagte Petra, »sie haben immer so etwas Unheimliches.«
Jürgen wartete bereits vor Ort. Ohne mit der Wimper zu zucken, schloss er das Gitter der abgesperrten Baustelle auf, fuhr mit den Frauen in die Tiefe, half bei der Ablage des Toten im Kanalschacht und setzte sich dann in einen beladenen Muldenkipper, um das Grab vorbildlich zuzuschütten.
»Erpressen kannst du mich eigentlich nur, wenn du deinen eigenen Mann in die Pfanne haust«, sagte er, ohne dass es Jenny hören konnte. »Eher habe ich jetzt dich in der Hand. Aber wenn du dafür sorgst, dass ich wieder so einen lukrativen Auftrag erhalte, dann feiern wir heute den Beginn einer wunderbaren Freundschaft.«
Petra nickte, sie hätte in diesem Augenblick alles versprochen. Doch schließlich verabschiedete sich Jürgen wie ein Gentleman.
»Harald erfährt kein Sterbenswörtchen, was seine kleine Frau heute angestellt hat. Falls du mal wieder einen diskreten Freund brauchst«, sagte er, »stehe ich jederzeit zur Verfügung.«
Auf dem Rückweg gelobten Petra und Jenny ewige Verschwiegenheit. Weder Max noch Harald oder gar der Alte sollten je von ihrem nächtlichen Abenteuer erfahren, von anderen Menschen ganz zu schweigen. Petra setzte Jenny ab und fuhr dann endlich wieder nach Hause. Körper und Seele lechzten nach einem heißen Bad. Sie hatte noch Zeit genug, bis sie dem Alten das Frühstück bringen und schließlich um neun Uhr die Ladentür aufschließen musste.
Bin ich nun eigentlich eine Mörderin?, überlegte Petra und aalte sich in duftendem Lavendelwasser. Zu einem Mord gehörten Vorsätzlichkeit und niedrige Motive. Davon konnte nicht die Rede sein. Oder hatte sie aus reiner Notwehr gehandelt? Das konnte man eigentlich auch nicht behaupten, denn nur Jenny war angegriffen worden, und nicht sie selbst. Edelmut tut selten gut. Doch jetzt hieß es jedenfalls erst einmal schlafen. Und zur Not gab es immer noch Ronald Melf.
Um acht brachte sie ihrem Schwiegervater Kaffee und sein Marmeladenbrot ans Bett. Er deutete vorwurfsvoll auf seine leere Mundhöhle, denn sie hatte seine Zahnprothese vergessen. Max pflegte sie morgens auf einer Untertasse zu servieren.
Kurz bevor Elena anrückte, war Willy Knobel mit dem Frühstück fertig, und Petra verließ das Haus. Am Samstag kamen meistens mehr als die üblichen fünf Kunden. Auch an diesem Vormittag gab es erwartungsgemäß viel zu tun, Petra musste sich konzentrieren, um keine Fehler zu machen; immerhin wurde sie vom Gedankenkarussell in ihrem Kopf abgelenkt.
Den Nachmittag verbrachte Petra vor laufendem Fernseher, ohne überhaupt hinzusehen. Sie lag bereits seit Stunden untätig auf dem Sofa, als Harald anrief und von einem großen Fisch erzählte, den Max gefangen hätte.
»Es läuft gut mit dem Jungen, wir hatten gestern ein sehr intensives Gespräch«, sagte er. »Du musst dir also keine Sorgen machen, alles ...«
»... paletti... «, sagte Petra und verdrehte die Augen.
»Dein Mäxchen geht auf Freiersfüßen«, sagte Harald. »Das haben wir zwar längst geahnt, aber endlich hat er freimütig darüber berichtet. Reg dich nicht auf, diese Jenny tut ihm gut, das habe ich sofort gemerkt. Du solltest sie besser kennenlernen, damit du deine Vorurteile abbauen kannst.«
»Ich? Vorurteile? Im Gegenteil, ich halte Jenny für eine sehr patente Frau!«, sagte Petra gereizt. Harald kannte diesen patzigen Ton und zog es vor, lieber noch nichts über die Schenkung seines Vaters zu verraten. Er wünschte seiner Gattin einen schönen Tag.
In einer einzigen Nacht habe ich mehr für unseren Max getan als Harald an einem ganzen Wochenende, dachte Petra. Das größte Problem ist jetzt erst mal aus dem Weg geräumt.
27
Am nächsten Tag machte der Alte Druck. Er wollte lieber heute als morgen in sein früheres Haus zurück, um endlich wieder ruhig zu schlafen. Von Umbauten mochte er nichts hören. Ein neues Badezimmer auf Kosten des großen Flurs oder der Küche? Das Schlafzimmer nach unten verlegen? Viel zu teuer, kommt nicht in die Tüte, sagte er. Wenn er unter der Erde liege, müsse ja
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