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Ehrenwort

Titel: Ehrenwort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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sagte er schließlich, »Mama hat euch verteidigt. Aber du hast ihm mit Sicherheit wieder einen Knebel in den Mund gestopft!«
    Jenny schwieg. Sie hatte den Stuhl dichter an den Küchentisch gerückt und den Kopf auf die verschränkten Arme gelegt. Nach langer Pause meinte sie: »Ich bin müde und gehe jetzt schlafen, aber in meinem Zimmer.«

    Am nächsten Morgen war Willy Knobel nicht wachzukriegen. Der Pfleger hörte sich an, was Max über seine Verwirrtheit erzählte und befand es für richtig, dass der Alte sich gründlich ausschlief. Wie Jenny am Abend zuvor wusch und windelte er ihn im Bett und riet Max, seinen Großvater immer wieder zum Trinken zu animieren.
    Jenny ging ihm aus dem Weg. Da ihr Dienst erst am Nachmittag begann, lieh sie sich von Max das Auto und fuhr damit nach Heidelberg zum Einkaufen. Sie brauche Schuhe und einen neuen Regenschirm.

    Zu ihrer Überraschung wurde Petra in der geheiligten Mittagspause angerufen. Sie spürte sofort, dass Max etwas auf dem Herzen hatte, doch er schien Hemmungen zu haben, über seine Probleme zu reden. Hatte Jenny am Ende nicht dichtgehalten?
    »Willst du heute bei uns essen?«, fragte sie freundlich, aber er verneinte. Er müsse sich um den Opa kümmern, sagte er, der schlafe zwar noch, aber man könne nicht wissen, wann und in welchem Zustand er wach werde. Nach diesem Gespräch war Petra etwas ratlos; sie hatte das Gefühl, sofort nach Dossenheim brettern und ihren Jungen in die Arme nehmen zu müssen. Verunsichert schaute sie auf die Uhr, doch es war nicht mehr zu schaffen. In einer Viertelstunde musste sie die Ladentür wieder aufschließen, denn ihre Mitarbeiterin hatte sich freigenommen.

    Als Jenny gegen fünfzehn Uhr zurückkam, zerrte Max sie sofort an das Krankenbett des Alten.
    »Er gefällt mir nicht«, sagte er. »Vielleicht sollte man einen Arzt rufen. Er atmet so komisch...«
    Jenny fühlte seinen Puls, schüttelte lächelnd den Kopf und packte dann ihre Einkäufe aus.
    »Alles okay. Wie stehen mir die Spangenschuhe? Ich hatte mir schon immer knallrote gewünscht, deine Mutter trägt ganz ähnliche. Ewig diese flachen Latschen, hin und wieder möchte ich gern schick sein.«
    »Er müsste jetzt endlich trinken«, sagte Max, »aber ich schaffe es nicht, er würde sich verschlucken. Gibt man in solchen Fällen vielleicht eine Infusion?«
    »Man kann es auch übertreiben mit der ewigen Trinkerei«, sagte Jenny. »Früher hat man das überhaupt nicht so ernst genommen. Meine Urgroßmutter ist fast hundert Jahre alt geworden und hat angeblich nur ein Glas Milch am Tag gekriegt.«
    Max erinnerte sich, dass seine Oma ebenfalls nur eine Tasse Kaffee morgens und eine am Nachmittag getrunken hatte - allerdings war sie auch nicht besonders alt geworden; vielleicht hatte Jenny ja recht. Sie wurde früher als sonst von einer Kollegin abgeholt, denn sie müsse als Vertretung einige Schwerkranke versorgen.
    Um sich abzulenken und weil er es schon lange vorgehabt hatte, begab sich Max in den Keller, um dort auszumisten. Demnächst war Sperrmüll.
    Irgendwann schaute er auf die Uhr und sah mit Schrecken, dass er seinen Opa fast vergessen hatte. Max nahm zwei Stufen auf einmal. und trat atemlos an das Bett des Alten. Er schlief immer noch.
    Als Jennifer endlich nach Hause kam, stürzte sich Max voller Zorn auf seine Freundin.
    »Du hast ihm viel zu viele Tropfen gegeben!«, brüllte er, »du willst ihn umbringen, da bin ich mir sicher!«
    Sie folgte ihm ans Bett des Alten, fühlte wie immer seinen Puls.
    »Sein Tod käme dir nicht ungelegen«, sagte Max grimmig, »du bist doch scharf auf Opas Zimmer.
    Jenny sah ihn mit großen Augen an, schwieg eine Weile und rang nach Worten.
    »Ihm geht es gut«, sagte sie schließlich, »aber mir nicht. Dieses schwachsinnige Klischee von der mordenden Altenpflegerin ist einfach zum Kotzen! Ich bin zutiefst verletzt, weil du so wenig Vertrauen zu mir hast. Mit uns war es wohl von Anfang an sinnlos …«

    Trotz seiner Bestürzung über Jennys Verschwinden musste Max einsehen, dass sie seinem Großvater keinen Schaden zugefügt hatte. Im Gegenteil, der Alte war kurze Zeit später wieder aufgewacht und hatte nach einem anständigen Frühstück verlangt und schien sich nicht daran zu erinnern, wie schlecht es um ihn bestellt gewesen war.

    Erst zwei Wochen später ging es wieder los: Appetitlosigkeit, Verwirrtheit und schlechter Schlaf, aber Jenny mit ihrem Zaubertrank war nicht mehr zu Stelle. Max saß stundenlang neben seinem

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