Eifel-Blues
vier bis sechs Züge. In Hohbach sind um die hundert Leute. In Hohbach sind auch keine Wehrpflichtigen. Daran kannst du sehen, daß sie wichtiges Zeug bewachen. Wenn es nur normale Munition wäre, hätten sie Wehrpflichtige, aber sie haben keine, nur richtige Kommißköppe. Du hast was gehört, nicht?«
»Was soll ich gehört haben?«
Er nahm den letzten Stamm vom Hänger und legte ihn leicht wie ein Schilfrohr oben auf den Stapel. Er sah mich an. »Laß uns drinnen sprechen. Ich merke schon, du weißt was. Ich weiß auch was. Da steht ein Jeep im Wald, und da sitzt ein Bundeswehrleutnant drin und daneben eine Frau. Und das ist beim Depot in Hohbach. Und beide mit Kopfschüssen, und ...«
»Wer hat dir das erzählt?«
»Ein Vögelchen, ein Vögelchen. Komm rein, du kannst mir ein Bier spendieren.« Er ging vor mir her, er ging leicht rollend wie ein Seemann. In der Tür drehte er sich um. »Sie haben alles vertuscht. Aber da ist was ganz Neues. Drei Tage später haben sie eine dritte Leiche gefunden, wieder eine Frau. Zweihundert Meter von dem Punkt weg, an dem der Jeep stand. Auch erschossen.«
Er ging vor mir her durch den Flur, bog ab in das Wohnzimmer und hockte sich mit dem halben Hintern auf die Sofalehne, wie er das immer macht. »Ich hoffe, du verscheißerst mich nicht«, sagte ich und ging, um das Bier und den Schnaps zu holen.
»Ich weiß, was ich weiß«, sagte er empört und laut. »Ich hab in Hohbach einen Kumpel wohnen aus früheren Zeiten. Aber woher hast du das erfahren?«
»Ich habe in Bonn zwei Männer drüber reden hören. Reiner Zufall. Was weißt du?«
»Ich weiß, daß du nichts rauskriegen wirst. Die haben alles wasserdicht gemacht, die machen immer alles wasserdicht bei der Bundeswehr.«
Ich stellte ihm eine Flasche Bier hin und goß ihm einen Schnaps ein. »Was weißt du?«
»Ich sagte doch, ich hab in Hohbach einen Kumpel. Der rief mich an und hat mir was erzählt. Einer von den alten Bauern ist morgens los, um nach dem Feld zu gucken. Dabei hat der Mann den Jeep mit den zwei Toten gefunden. Das war der Sonntag vor Pfingsten. Er ist dann zum Depot gerannt und anschließend ins Dorf. Aber nach einer Stunde haben sie ihn abgeholt, mit Militärpolizei. Und als er von der Vernehmung zurückkam, hat er kein Wort mehr gesagt. Es wird erzählt, es ist ein Leutnant von der Bundeswehr gewesen und eine Frau. Und drei Tage später haben Kinder die zweite Frau gefunden. Die Bundeswehr hat das ganze Gebiet fünf Stunden lang abgesperrt, sogar die Verbindungsstraße zur Autobahn haben sie dichtgemacht.«
»Also mit anderen Worten: Die ganze Gegend weiß, was du weißt, und kein Mensch redet.«
»Warum sollen wir denn reden? Wir sind eben schweigsame Leute.« Er grinste und seine Augen versanken in Falten. »Der Gentleman genießt und schweigt. Im Ernst, Bundeswehr ist doch gut für die Eifel, Bundeswehr sind Arbeitsplätze, Bundeswehr macht Kamerads chaftsabende mit den alten Kriegern, Bundeswehr bringt Geld. Sei doch ehrlich, Junge, wenn die mit ihren Scheißpanzern meine Wiesen pflügen, dann kommt irgendein Heini in Uniform und zahlt schnell und gut. Wenn hier bei der Bundeswehr was stinkt, dann halten wir uns alle die Nase zu, weil das doch klar ist, daß wir zu denen halten, weil ...«
Er hatte sich in Rage geredet, denn dies war ein heikler Punkt in seinem Leben. Es kam sehr selten vor, daß er sich betrank, aber wenn er betrunken war, kam er auf die Bundeswehr zu sprechen und sagte mit Augen, die nichts sahen: »Das ist der beschissenste Verein, den es gibt, weil du nur eine Nummer bist und keine Chance hast, was anderes zu sein als eine Nummer.« Nie erwähnte er, daß ein Bundeswehrspieß ihm die Liebe seines Lebens vermasselt hatte, aber immer war er in dieser Stimmung drauf und dran, das ganze Lokal zu verwüsten.
»Und die Redakteure von den Lokalzeitungen?«
Alfred lachte. »Die wissen das, was ich weiß, aber schreiben dürfen die kein Wort, weil dann die Banken, die Handwerker und die Geschäftsleute sagen, daß es keine Anzeigen mehr gibt. Und so weiter. Sag mal, bist du von gestern? Junge, laß die Finger davon. Wenn du nur danach fragst, bist du schon im Krankenhaus.«
Es machte keinen Sinn, ihm zu widersprechen, er hatte recht. »Drei heimliche Tote«, sagte ich schwärmerisch. »Was sagen deine Flüstertüten? Liebesdrama? Familiendrama? Ehedrama? Oder Spionagedrama, oder was?«
Wenn er grinste, hatte er keine Augen mehr. »Der eine sagt dies, der andere das, du kannst
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