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Eifel-Blues

Eifel-Blues

Titel: Eifel-Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Apfelsaft einschenken.
    »Geben Sie mir ein Wasser, Herr Wirt«, sagte jemand neben mir, dünn wie ein Federmesser. Es war eigentlich keine Stimme, es war etwas wie körperlose Gewalt, etwas sehr kalt Beiläufiges. Dann drehte er sich zu mir und stellte fest: »Sie trinken auch keinen Alkohol, das ist gut. Alkohol verwischt Konturen, Alkohol ist nur gut, wenn man sehr allein ist.«
    Er war einen Kopf kleiner als ich, ein schmaler, harter Mann in einem dunkelgrauen Tuchanzug mit einer weinroten Krawatte. Sein Haar war schwarz und sehr kurz geschnitten, Mecki nannten wir das, als wir jung waren. Das Gesicht war das eines Asketen, der viel im Freien ist, seine Augen waren dunkelbraun und glänzend und ausdrucksvoll wie Kieselsteine. Er mochte vierzig Jahre alt sein oder fünfzig, vielleicht auch sechzig, er war schwer zu schätzen.
    »Ich habe früher getrunken«, sagte ich. »Dann kam meine Leber dazwischen.« Ich sah an ihm herunter. Er trug schwarze, feste Halbschuhe, die so glänzend gewichst waren, als ginge er gleich zum Großen Zapfenstreich.
    Der Wirt stellte das Wasser vor ihn hin und sagte begütigend, als habe er Angst: »Das ist Studienrat Doktor Messner aus Köln. Auch ein Anglerfreund.«
    Der Studienrat lächelte und lächelte doch nicht. »Gehen Sie auf Forellen, oder gemütlicher?«
    Das war kitzlig, denn ich hatte in meinem ganzen Leben noch keinen Fisch geangelt. »Meistens Karpfen«, entschied ich. »Dann brauche ich mich nicht soviel bewegen.«
    »Aus Köln?« Er zeigte eine Reihe makelloser Zähne.
    »Ja. Ein Bekannter hat mir von diesem Stausee erzählt. Sind Sie oft hier?«
    »Sehr oft, wann immer ich kann. Hier ist Ruhe, kein Geschrei, kein Geschwätz.« Das war eine Feststellung, keine Spur von Begeisterung, keine Spur von irgend etwas.
    »Was lehren Sie, welche Fächer?« fragte ich.
    »Physik«, sagte er und trank einen Schluck Wasser. »Physik, Sport, Chemie. Zuweilen Mathematik in unteren Klassen. Entschuldigung, meine Frau hat das Essen bestellt.« Er sah mich an, als sei ich eine Fliege, die er irgendwo einzuordnen habe. Er löste sich von der Theke und ging davon, wobei erstaunlich wirkte, daß seine Schultern sich dabei kaum bewegten. Es wirkte bei genauem Hinsehen ein wenig lächerlich und zugleich bedrohlich. Dieser Dr. Messner ging nicht, er glitt. Er mußte zu einem Tisch in der entfernten Ecke des Raumes, und er hatte nicht viel Platz. Aber seine Bewegungen waren schnell und gleitend. Die Frau, die dort auf ihn wartete, war hellblond und stark geschminkt und trug erstaunlich viel Gold an den Fingern und den Armen. Sie sah ihn nicht an, und er legte ihr begütigend die Hand auf die Schulter, als könne er damit verhindern, daß sie explodierte.
    »Ist der Herr Doktor Messner ein guter Angler?« fragte ich den Wirt.
    »Och, ich weiß es nicht«, murmelte der Wirt und zapfte ein Bier. »Ich stehe ja nicht daneben.«
    »Er ist gar kein Angler«, murmelte ich.
    Der Wirt hob den Kopf nicht, lächelte nur in den Bierschaum, sagte nichts, zuckte nur sanft die Achseln, stellte Biergläser auf ein rundes Tablett und schob damit ab.
    Ich versuchte, Männer zu entdecken, die nach Geheimdienst aussahen, nach MAD oder Verfassungsschutz oder BND, aber ich entdeckte keinen, der in solchen Riegen zu sein schien. Einmal, während des Essens, stand die Frau an Messners Tisch auf und ging hinaus. Sie war größer als er, und ihr Gesicht war kalt.
    Ich stand noch zwei Stunden herum, trat von einem Bein auf das andere, trank Apfelsaft nach Apfelsaft, wartete, daß eines der Bauerngesichter um mich herum eine Bemerkung machen würde. Vielleicht über den Doppelmord oder den dreifachen Mord oder das Munitionsdepot. Aber sie sagten nichts, und ein Tourist genügte wohl, um sie stumm zu machen.
    Gegen Mitternacht kam eine Gruppe aufgetakelter Krieger in Tarnanzügen herein. Sie sagten lärmend »Guten Abend«, und ihr Anführer, ein kleiner, schmaler Mann mit einem Schnurrbart vom Reißbrett, schnarrte: »Wir sind sechs, also brauchen wir erst mal zwölf Bier, Hannes.« Die Kneipe lachte, ich zahlte und ging hinauf in mein Zimmer.
    Ich zog mich aus und legte mich nackt auf das Bett. Der Lärm im Schankraum nahm ein wenig ab. Irgendwann döste ich ein und wurde wieder wach, weil ich fror. Ich deckte mich zu und hatte eben das Licht ausgemacht, als es klopfte.
    »Messner«, sagte er durch die Tür. »Ich möchte Sie schnell noch etwas fragen.« Es war ein Uhr dreißig. Ich stand auf, zog die Jeans über,

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